Blick.ch: BELLINZONA – TI – Seit Mittwoch beschäftigt sich das Bundesstrafgericht in Bellinzona mit einem gescheiterten Anschlag auf die Reitschule in Bern. Der mutmassliche Täter hatte im Jahr 2007 im voll besetzten Konzertsaal eine Brandbombe deponiert, die erst im Freien explodierte.
Der Angeklagte gestand vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona keine Schuld ein. Er wollte ausserdem nicht sagen, wo er am Abend des Bombenanschlags gewesen sei.
«Wir haben es überwiegend mit einem Indizienprozess“ zu tun», da es kein Geständnis des Angeklagten gebe, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft am Mittwoch in seinem Plädoyer. Es gebe keine «unmittelbar belastenden» Beweise oder eindeutige Zeugenaussagen.
Die «Gesamtwürdigung aller Indizien» könne jedoch dazu ausreichen, die Schuld des Täters nachzuweisen, so der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Sein «zielgerichtetes und skrupelloses Verhalten» müsse eindeutig straferhöhend bewerten werden – es handele sich um eine «feige Tat», so der Staatsanwalt des Bundes.
Er forderte deshalb, dass der 26-jährige Angeklagte wegen Gefährdung durch Sprengstoffe, versuchter schwerer Sachbeschädigung sowie versuchter Brandstiftung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wird.
Bei der Befragung durch die Richterin wurde am Mittwoch deutlich, dass der Angeklagte dem rechtsextremen Milieu angehörte. Erst durch den Militärdienst 2009 sei es zu einem langsamen Gesinnungswandel gekommen, sagte der heute 26-Jährige vor Gericht. Danach sei «das Kapitel Rechtsextremismus» für ihn geschlossen gewesen.
Aus den Vorfragen der Richterin ging hervor, dass der Angeklagte wegen Rassendiskriminierung und Widerhandlung gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurde. Er habe unter dem Pseudonym «Eidgenosse 88» rechtsextreme Einträge geschrieben und den Anschlag am Tag nach der Tat auf einem rechtsextremen Portal verherrlicht haben.
Der Anschlag war auf das «Antifa-Festival» vom August 2007 geplant. Zum Tatzeitpunkt seien 1500 bis 2000 Besucher im Konzertsaal gewesen, sagte ein Sicherheitsbeauftragter der Reitschule am Mittwoch im Zeugenstand. Einer der Konzertbesucher sei auf einen verdächtigen Rucksack aufmerksam geworden, der vor dem Mischpult abgestellt war.
Der Sicherheitsbeauftragte habe den Rucksack daraufhin ins Freie deponiert und sich entfernt – kurz darauf entzündete sich der Rucksack und es gab einen «grossen Feuerball», so der Sicherheitsmitarbeiter vor Gericht. Die Reitschule musste in der Folge evakuiert werden.
Im Rucksack hatte sich eine selbstgebastelte Spreng- und Brandvorrichtung befunden, die unter anderem aus drei mit Benzin gefüllten 1,5-Liter-PET-Flaschen bestand. Ein Verfahren gegen Unbekannt wurde im Februar 2008 zunächst eingestellt, nachdem keine Täterschaft ermittelt werden konnte.
Dem mutmasslichen Sprengsatz-Bastler kam die Polizei ein Jahr später in einem anderen Zusammenhang auf die Spur. Der Mann stellte nämlich ein Gesuch für einen Waffenerwerbsschein, was die Polizei zu einer Hausdurchsuchung veranlasste. Nachforschungen hatten ergeben, dass der Mann in rechtsextremen und gewalttätigen Kreisen verkehrte.
Dabei ergab der Abgleich seines DNA-Profils eine Übereinstimmung mit den Spuren am Sprengsatz der Reitschule. Zudem wurden 2010 am Wohnort des Verdächtigen alle nötigen Komponenten zur Herstellung eines Sprengsatzes gefunden. Dies führte zu einer Wiedereröffnung der Strafuntersuchung, und der Fall wurde in der Folge der Bundesanwaltschaft übergeben.
Die Bundesanwaltschaft hatte das Verfahren zum Sprengstoffdelikt bereits 2013 eingestellt. Dies sei «mangels klarer Beweise» geschehen, teilte die Bundesanwaltschaft damals mit. Der Verdächtige sollte einzig für Waffen- und Drogenvergehen verurteilt werden.
Dagegen wehrte sich der Verein Musik und Kultur, welcher das «Antifa-Festival» im August 2007 organisiert hatte, als Privatkläger mit einer Beschwerde beim Bundesstrafgericht. Dieses gab dem Verein im August 2014 recht, worauf das Verfahren weitergeführt wurde. Es gelte der Grundsatz, wonach im Zweifel für eine Anklageerhebung entschieden werden müsse, teilte das Bundesstrafgericht damals mit.