Neue Luzerner Zeitung: Staatsschutz · Deutschland hat eine antisemitische Gruppierung mit Sitz in der Schweiz im Visier. Beim Bund sieht man keinen Handlungsbedarf. Experten sehen das anders.
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Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière präsentierte diese Woche den Verfassungsschutzbericht. Der CDU-Minister legte dabei alarmierende Zahlen vor. Unter anderem sind die Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund um 20 Prozent gestiegen. Der Verfassungsschutz verweist im 360 Seiten dicken Bericht unter anderem auf die Europäische Aktion (EA), die ein internationales braunes Netzwerk von der Schweiz aus knüpfen will.
«Eine selbst für Rechtsextremisten besonders ausgeprägte antisemitische und revisionistische Agitation betreibt die Europäische Aktion», heisst es im Bericht. «Die international ausgerichtete EA verfolgt das Ziel, ein rechtsextremistisch-rassistisches Netzwerk aufzubauen.» In den Führungsstrukturen der EA seien «namhafte Rechtsextremisten» eingebunden, die Organisation finde mit einer «verbal-aggressiven Rhetorik Zugang zu jüngeren rechtsextremistischen Führungspersonen und somit auch zum Umfeld der aktionsorientierten neonazistischen Kameradschaftsszene».
Holocaust-Leugner ist Initiator
Tatsächlich tummeln sich im Umfeld der im Kanton Zürich und in der Ostschweiz präsenten Organisation bekannte Grössen aus dem extremnationalistischen Milieu. Zu den Initiatoren der erst 2010 gegründeten EA gehört unter anderem der bekannte Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Die antisemitische und antiamerikanische Bewegung strebt nach eigenen Angaben an, «die US-hörige EU durch eine europäische Eidgenossenschaft zu ersetzen». Der 60-jährige Schaub war zuvor bereits in dem von einem ehemaligen NS-Funktionär gegründeten Verein «Collegium Humanum» und dem «Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten» aktiv. Beide Vereine wurden 2008 unter anderem wegen Volksverhetzung in Deutschland verboten. Die EA ist sozusagen das aus den beiden Organisationen entstandene Nachfolgekonstrukt.
Obschon das deutsche Innenministerium offiziell vor den Aktivitäten der Europäischen Aktion warnt, wird man beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nicht aktiv.
Bern reagiert gelassen
«Die EA ruft weder zur Gewalt auf, noch droht sie Gewalt an, noch übt sie selbst Gewalt aus. Deshalb gilt die Organisation in der Schweiz nicht als gewaltextremistische Organisation», sagt NDB-Sprecher Felix Endrich auf Anfrage. Aus diesen Gründen dürfe der NDB diese Organisation gemäss dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) gar nicht bearbeiten.
Wie dem auch sei: Hans Stutz, Luzerner Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene, hält die EA sehr wohl für beobachtenswert. Auch wenn der 62-Jährige den Einfluss der Organisation als gering einstuft. Mehr als 100 vorwiegend ältere Personen würden die Veranstaltungen der EA selten besuchen. Nur im Fürstentum Liechtenstein könne die Organisation auch jüngere Leute ansprechen. Erst im April dieses Jahres hätte diese in einem Lokal im St. Galler Oberland einen Vortragsabend mit einem deutschen und einem österreichischen Referenten durchgeführt.
Laut dem Politiker der Grünen werde die EA vom Nachrichtendienst des Bundes als rechtsbürgerlich apostrophiert. «Das ist natürlich völliger Humbug. Die EA leugnet den Holocaust und strebt einen Staat nach nationalsozialistischem Vorbild an.» Diese Organisation gelte es durchaus ernst zu nehmen, zumal die Mitglieder mit Aktivisten in Deutschland, Liechtenstein, Österreich und weiteren Ländern gut verknüpft seien. Die EA sei eine der wenigen rechtsextremen Organisationen, die mit einem europaweiten Anspruch aktiv seien.
«Genau im Auge behalten»
Auch Samuel Althof, Leiter der Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention (Fexx) in Oberwil BL, hat die EA ins Visier genommen. «Ihre Mitglieder wollen eine Art ideologisches Dach für die rechtsextreme Bewegung in Europa sein», sagt Althof. Die Zurückhaltung des Bundesnachrichtendienstes sei indessen nachvollziehbar, so Althof weiter: «Die EA agiert nicht offen gewalttätig, zudem ist die Organisation auch nicht besonders gross und damit nicht staatsgefährdend.»
Dennoch sei die vor allem auch in Liechtenstein aktive EA keinesfalls ungefährlich, findet auch Althof: «Es handelt sich um rechtsextreme Brandstifter.» Die revisionistische EA gelte es auf jeden Fall im Auge zu behalten. «Aber das ist nicht unbedingt die Aufgabe des Staatsschutzes. Die Zivilgesellschaft und die Politik müssen sich solchen Extremisten argumentativ entgegenstellen, Verantwortung übernehmen und sie damit genau im Auge haben.» Gemäss der Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes in Berlin ist die EA derzeit noch weit davon entfernt, «ihrem selbst gesteckten Ziel einer Sammlungsbewegung europäischen Ausmasses nahe zu kommen».
Post überprüft Kundenbeziehung
Die EA ersucht in der Schweiz über ein Sammelkonto der Post um finanzielle Unterstützung. Bei der Postfinance in Bern will man die Kundenbeziehung zur EA nun überprüfen. «Falls Postfinance Hinweise hat, dass das Verhalten, ein bestimmtes Geschäftsgebaren oder eine extreme Gesinnung eines Kunden unsere Reputation gefährden könnte, wird diese Geschäftsbeziehung überprüft und wenn nötig beendet», teilt Postfinance-Sprecher Johannes Möri in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Die Post könne das Konto etwa kündigen, falls der Kunde «unethische oder unmoralische Praktiken» an den Tag lege. Hinweise über problematische Geschäftsbeziehungen, so Möri, «ergeben sich oftmals im Laufe der Zeit und sind bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung noch nicht evident».