SonntagsZeitung: Gegenüber den Medien gab sich der Genfer Behnam Najjari betont unpolitisch. In der Realität organisiert er Schiesstrainings und ist Kopf einer rechtsextremen Gruppierung
Genf Das Waffenlager war ein Zufallsfund. Während die Genfer Polizei letzte Woche mutmassliche Jihadisten jagte, durchsuchte sie die Wohnung von Behnam Najjari, 27. Der Schweizer mit iranischen Wurzeln hortete bei sich zu Hause mehrere Kalaschnikows, eine Pumpgun, Maschinenpistolen, ein Sturmgewehr, 30 Karabiner und Munition. Im Wohnzimmer hing eine Nazi-Flagge.
Die Staatsanwaltschaft verhörte ihn acht Stunden, dann liess sie ihn frei. Er sei «Anhänger einer Überlebensideologie». Diverse Medien revidierten daraufhin erste Meldungen, wonach es sich bei Najjari um einen rechtsextremen Waffenfanatiker handeln könnte. «Gehe ich mit meiner Kamel-Fresse ernsthaft als Neonazi durch?», witzelte der Genfer in der Zeitung «Le Matin». Und: Er sei zwar ein leidenschaftlicher Waffensammler, mehr aber nicht.
Bewegung mit fanatischen Anhängern
Recherchen zeigen jetzt: Najjari ist nicht so unpolitisch, wie er sich gibt. Im Gegenteil: Der Genfer ist ein Rechtsextremist mit Kontakten zu führenden Neonazis in der Schweiz und im Ausland. Seit mehreren Jahren tritt er als Präsident der rechtsextremen Gruppierung Egalité et Réconciliation Suisse auf.
Die Organisation ist ein Ableger des französischen Pendants, gegründet vom judenfeindlichen Schriftsteller Alain Soral. «Gleichheit und Versöhnung»: Was sich übersetzt harmlos anhört, ist eine länderübergreifende, rechtsextreme Bewegung mit fanatischen Anhängern. Im grossen Stil marschierten sie zuletzt 2014 am «Tag der Wut» in Paris auf. Mehrere Tausend von ihnen demonstrierten zusammen mit dem antisemitischen Komiker Dieudonné gegen Zionismus und die Islamisierung Europas. Im Anschluss an die Kundgebung gingen Demonstranten auf die Polizei los.
Der Schweizer Ableger von Egalité et Réconciliation beschränkte seine Aktionen bisher auf rassistische Veranstaltungen und Onlinepropaganda. In seinem politischen Kampf arbeiten Najjari und seine Organisation eng mit der Westschweizer Führungsriege der rechtsextremen Partei Pnos zusammen. Im vergangenen Jahr organisierte der Genfer Waffennarr über Facebook mehrere Schiesstrainings, für die sich auch der militante Pnos-Aktivist und ehemalige Nationalratskandidat Stéphane Bernheim anmeldete.
Die Staatsanwaltschaft Genf ermittelt entgegen anderslautenden Medienberichten weiterhin gegen Najjari. Warum, will sie nicht sagen. Gemäss einem Insider soll es dabei unter anderem um den Verstoss gegen das Waffengesetz gehen. Der Genfer streitet das ab. «Jede meiner Waffen ist legal erworben», sagte er der Zeitung «Le Matin».
Nachrichtendienst warnt vor bewaffneten Rechtsextremen
Der Nachrichtendienst des Bundes beobachtet mit Sorge, wie sich Rechtsextreme zunehmend bewaffnen. Im aktuellen Jahresbericht warnt er: «Schusswaffen werden gesammelt, gehandelt und möglicherweise auch über die Grenze geschmuggelt.» Aufgrund von Zufallsfunden bei Hausdurchsuchungen sei anzunehmen, dass in der Szene «vielfach grössere Sammlungen funktionstüchtiger Waffen bestehen».
Noch einen Schritt weiter geht der Bundesrat im neusten Entwurf für den sicherheitspolitischen Bericht 2016. Darin sieht er in rechtsextremen Kreisen ein «terroristisches oder gewaltextremistisches Potenzial, das sich innert kurzer Zeit realisieren kann».
Najjari selbst reagierte nicht auf Anfragen für eine Stellungnahme. In Medienberichten von letzter Woche sagte er: «Ich bin kein neuer Breivik.» Damit spielte er auf den Rechtsterroristen an, der im Sommer 2011 in Norwegen 77 Menschen getötet hatte.
Propagandaverdacht: Strafverfahren gegen Filmer des Islamischen Zentralrats
Bern Der umstrittene Film «Die wahrhaftige Morgendämmerung» des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) hat juristische Konsequenzen für den Verein: Die Bundesanwaltschaft gab gestern bekannt, dass sie ein Verfahren gegen ein Vorstandsmitglied eröffnet hat. Für den Film reiste Naim Cherni, beim IZRS für das «Departement für Kulturproduktion» verantwortlich, nach Syrien und interviewte unter anderem Abdullah al-Muhaysini. Die Bundesanwaltschaft nennt den saudischen Prediger ein «Führungsmitglied» der jihadistischen Dachorganisation Jaish al-Fatah. Ihr gehört auch die Al-Nusra-Front an, der Ableger der al-Qaida in Syrien. Die SonntagsZeitung machte Chernis Reise an die Jihad-Front in der Ausgabe vom 29. November publik.
Das deutsche IZRS-Vorstandsmitglied habe seine Reise nach Syrien im Film «propagandistisch dargestellt», argumentiert die Bundesanwaltschaft gestern in einem Communiqué, «ohne sich explizit von den Al-Qaida-Aktivitäten in Syrien zu distanzieren». Cherni steht damit unter Verdacht, gegen das Bundesgesetz über das Al-Qaida- und IS-Verbot verstossen zu haben. Dafür drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafe. Die Premiere des Films in Winterthur am 5. Dezember hatten zivile Kantonspolizisten beobachtet. Vier Tage später eröffnete die Bundesanwaltschaft das Verfahren. Es richtet sich auch gegen unbekannt. Den Film veröffentlichte der IZRS am Freitagabend auf Youtube. Der Verein nahm gestern keine Stellung zum Verfahren, kündigte aber für morgen eine Pressekonferenz an.