Zürichsee-Zeitung: Leitartikel
Neonazis im Dorf, rassistische Kundgebungen und antifaschistische, linksextreme Gegendemonstrationen – für viele Hombrechtiker waren die Schlagzeilen, mit denen die Gemeinde in der Vergangenheit wiederholt in Verbindung gebracht wurde, schwer zu ertragen. Die Rede ist von Vorfällen wie dem Fackelzug von rund 50 Neonazis durchs Dorf, der vor drei Jahren stattfand. Und von den 80 Mitgliedern der linksradikalen Antifaschistischen Aktionsfront, die im vergangenen September die Gemeinde heimsuchten.
Vor allem die Behörden hatten Mühe damit, in welches Licht die Gemeinde in der Öffentlichkeit gerückt wurde. Lange Zeit wählten sie deshalb die einfachste Strategie: Über Kundgebungen von linken und rechten Extremen schwiegen sie in der Öffentlichkeit möglichst oder beschränkten ihre Stellungnahmen dazu auf das Minimum, auch gegenüber der ZSZ. Die Gruppierungen sollten auf keinen Fall eine Plattform für ihre Botschaften erhalten, die mit einer demokratischen und friedliebenden Gesellschaft unvereinbar sind. Ebenso wenig sollten die unerwünschten Kundgebungen das Dorf als Hort von Extremismus in Verruf bringen – eine Befürchtung, die bei gewissen Behördenmitgliedern offenbar vorherrschte, obwohl dies nicht einmal Boulevardmedien der Gemeinde unterstellten.
Statt sich ausführlich in der Öffentlichkeit zu äussern, wählten die Behörden einen anderen Weg: Sie reichten Strafanzeige gegen unbekannt ein, da die Demonstrationen der Extremisten von der Gemeinde nicht bewilligt worden waren, wie dies die kommunale Polizeiverordnung vorschreibt. Eine weitere Anzeige folgte wegen Sachbeschädigung. Diese Massnahmen waren konsequent und richtig – auch wenn sich die Anzeigen nur auf Bagatelldelikte wie die unbewilligten Demonstrationen bezogen und bislang zu keinem Resultat geführt haben.
Der Rechtsweg allein reicht aber nicht – und das haben die Behörden nun zum Glück eingesehen, wie der neusten Ausgabe des gemeindeeigenen Publikationsblatts «Ährenpost» zu entnehmen ist. Die Behörden vollziehen eine kommunikative Kehrtwende. «In der Vergangenheit hat der Gemeinderat bewusst eine passive Rolle eingenommen», schreibt Gemeindepräsident Rainer Odermatt (FDP) im Beitrag. Aufgrund der jüngsten Ereignisse wolle er sich nun anders ausrichten. «Der Gemeinderat hat entschieden, dass er offen und prominent für mehr Respekt und Toleranz in unserer Gesellschaft eintritt», heisst es weiter. Er werde nun eine «Offensive für ein offenes, liberales und tolerantes Hombrechtikon» starten und dazu Aktivitäten initiieren. Wie diese aussehen, lässt die Hombrechtiker Exekutive vorerst offen.
Richtig wohl ist dem Gemeinderat im Umgang mit dem Thema nach wie vor nicht. Er ist sich bewusst, dass er mit dem zweiseitigen Artikel in der «Ährenpost» genau das tut, was er bisher in den Medien möglichst unterbinden wollte: Er lanciert eine öffentliche Diskussion. «Der Gemeinderat gibt beiden extremistischen Gruppierungen mehr Platz und Beachtung, als sie dies verdienen würden», schreibt Gemeindepräsident Odermatt. Die Behörde wolle aber der Bevölkerung signalisieren, dass sie sich des Problems bewusst sei und etwas dagegen unternehme. Gleichzeitig bezweckt sie wohl, dass sie im gemeindeeigenen Blatt zumindest die Kontrolle darüber hat, wie die Diskussion angestossen wird. Ebenso entsteht der Eindruck, dass die Behörde das Thema weiterhin lieber dorfintern angehen will und sich nicht an weitere Kreise richten möchte, die ebenfalls betroffen sein könnten – zum Beispiel die Behörden und die Bevölkerung von Nachbargemeinden.
Dies ist nicht unbedingt zielführend. Denn wenn sich die Debatte auf die Gemeinde beschränkt, suggeriert dies, dass es sich lediglich um ein Hombrechtiker Problem handelt. Und das trifft nicht zu, wie auch der Hombrechtiker Gemeinderat betont. Er räumt zwar ein, dass in der Vergangenheit einige Leitfiguren der rechtsradikalen Szene in der Gemeinde gewohnt haben. Wahrscheinlich wurde Hombrechtikon deshalb zum Ziel ihrer Aktivitäten. Die meisten der Radikalen, welche die Gemeinde als Schauplatz ihrer Kundgebungen wählten, stammten aber aus anderen Gemeinden oder gar aus dem Ausland. Das verdeutlicht, dass dasselbe Schicksal genauso gut andere Gemeinden ereilen könnte. Kurz: Extremisten suchen nicht nur Hombrechtikon heim – die Debatte braucht es darum auch anderswo.