Nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht schliessen sich an immer mehr Orten Menschen zu selbst ernannten Bürgerwehren zusammen. Gruppen wie die «Kölner Bürgerwehr» rufen über Facebook zu Streifzügen durch die Innenstadt auf und schützen so nach eigenen Angaben potenzielle Opfer vor Übergriffen durch Asylbewerber. Auch die Gruppe «Einer für alle, alle für einen. Düsseldorf passt auf» will in Kleingruppen durch die Strassen patrouillieren und so «Präsenz zeigen». Sie hat auf Facebook in den vergangenen Tagen grossen Zulauf erfahren und inzwischen über 13’000 Mitglieder. Zudem war sie Vorbild für die Schweizer Gruppierungen «Zürich passt auf» und «Bern passt auf».
(function(d, s, id) { var js, fjs = d.getElementsByTagName(s)[0]; if (d.getElementById(id)) return; js = d.createElement(s); js.id = id; js.src = „//connect.facebook.net/de_DE/sdk.js#xfbml=1version=v2.3“; fjs.parentNode.insertBefore(js, fjs);}(document, ’script‘, ‚facebook-jssdk‘));Wir müssen unsere Strukturen organisieren bevor auch Bern Opfer wird. Wir suchen deshalb engagierte Helferinnen und…Posted by Einer für alle, alle für einen. Bern passt auf on Sonntag, 10. Januar 2016
Die Zürcher Facebook-Gruppe wurde vor zwei Tagen ins Leben gerufen und hat noch nicht über ihr Vorgehen informiert. Folglich hat die Kantonspolizei Zürich noch keine Kenntnisse von ihr. Sie hält das Vorgehen solcher Bürgerwehren aber für rechtlich heikel. Privaten Leuten fehle die entsprechende Ausbildung, weshalb das Risiko von gesetzwidrigen Handlungen steige, sagte ein Mediensprecher auf Nachfrage. Die Polizei könne aber erst einschreiten, wenn besagte Bürgerwehren sich gesetzeswidrig verhielten.
Ähnlich sieht dies die Kantonspolizei Bern. «Grundsätzlich ist ein gewisses Mass an Zivilcourage nicht falsch, aber private Patrouillen müssten sich bewusst sein, dass sie nicht mehr Rechte haben als andere Bürger», meint Christoph Gnägi. Laut dem Polizeisprecher hat es noch keinen Kontakt mit den Organisatoren der Facebook-Gruppe gegeben. Diese haben «Aufpass-Kontrollen» angekündigt und angegeben, wie die Bewegung in Düsseldorf den «Ordnungshütern helfen» zu wollen. Gnägi bezeichnet das Dazwischengehen bei Vorfällen als heikel. Besser rufe man unverzüglich die Polizei.
Die Düsseldorfer Organisatoren sind jedoch gerade der Meinung, dass die Behörden mit dem Schutz der Bürger überfordert sind. Anders sieht das die Polizei selbst, für welche die Gruppierung vor allem eine zusätzliche Arbeitsbelastung darstellt. So mussten die Düsseldorfer Beamten bereits Auseinandersetzungen mit Vertretern der linken Szene verhindern. Denn die Bürgerwehren stehen im Verdacht, Menschen aus dem rechten politischen Spektrum anzulocken.
Türsteher, Rocker, Hooligans
«Jeglicher Rassismus wird von uns nicht toleriert», schreibt die Düsseldorfer Gruppe auf Facebook. Die Initiative basiere auf gewaltfreier Basis. Nach Informationen des Senders WDR sollen sich allerdings Sympathisanten der Hogesa (Hooligans gegen Salafisten) der Gruppe angeschlossen haben. In Leipzig nutzten rund 250 Hooligans eine Kundgebung gegen die Übergriffe in der Silvesternacht, um zu randalieren (wir berichteten). Laut einer Polizeisprecherin handelte es sich um eine «rechte Klientel aus dem Fussballbereich».
Auch in Köln stammten Teilnehmer von Bürgerwehraktionen aus der rechten Rocker- und Türsteherszene. 13 Personen seien der Polizei bereits durch rechtsextreme Straftaten bekannt gewesen, 16 von ihnen stammten aus der Türsteherszene, und zwei seien Mitglieder der Hells Angels gewesen, resümierten die Behörden. Drei verschiedene Gruppen sollen sich zu sogenannten gewaltfreien Spaziergängen verabredet haben. Wie Aussagen der Facebook-Gruppierung «Nett-Werk Köln» zeigen, handelt es sich dabei aber nur um Floskeln. Sie ruft dazu auf, die Stadt «von Unrat zu befreien».
«Fremdenfeindliche Straftaten»
Die als gewaltbereit geltende Kölner Box- und Türsteherszene ist ihrem Ruf denn auch gerecht geworden. Nach Angaben der Polizei kam es in den vergangenen Tagen zu mehreren «fremdenfeindlichen Straftaten». Mindestens zwölf mehrheitlich ausländische Menschen seien allein am Sonntagabend angegriffen worden, sagte Norbert Wagner zur «Süddeutschen Zeitung». Gemäss dem Leiter der Kriminalitätsdirektion der Kölner Polizei wurden vier Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Hier hätten gezielt Leute über soziale Netzwerke geplant, auf augenscheinlich «nicht deutsche Menschen» loszugehen, sagte Wagner. Es handle sich um «Bewegungen von Menschen, die glauben, sie müssten das Recht in die eigenen Hände nehmen», und das sei «ein alarmierendes Signal, dass wir sehr ernst nehmen», so Wagner. Allerdings habe die Polizei nur begrenzte Möglichkeiten, Täter über die sozialen Netzwerke zu identifizieren. Schliesslich seien viele Profile dort gefälscht.
Allzu viel Zeit dürfte den Behörden nicht bleiben, um sich entsprechend auf solche Bürgerwehren einzustellen. Die Idee von Köln oder Düsseldorf findet zunehmend Sympathisanten in verschiedenen Städten – auch in der Schweiz. Neben der Berner Gruppierung ist seit dem 26. Dezember auch in den Strassen von Genf eine Patrouille unterwegs, allerdings gegen Schläger. Wie die «Tribune de Genève» berichtete, hat der Betreiber einer Kampfsportschule rund 30 Träger des schwarzen Gürtels für seine Aktion «Black Belt Patrol» mobilisiert. Solange sie sich nicht bei einer Straftat erwischen lassen, sind der Genfer Polizei die Hände gebunden. Sie steht dem Problem genauso wie Beamte andernorts ziemlich machtlos gegenüber.