20 minuten online: Bei den Personen, die am Samstag eine Demonstration in Zürich gestört haben, soll es sich um rechtsextreme Türken handeln. Ist dies das Comeback der «grauen Wölfe» in der Schweiz?
Der Zwischenfall ereignet sich am Samstag kurz vor 17 Uhr: An einer kurdischen Solidaritätskundgebung in Zürich kommt es zu einer Rangelei zwischen rund 30 Personen, die Polizei muss eingreifen. Die Beamten setzen Pfefferspray ein, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. In einem Fall kommt auch ein Knüppel zum Einsatz. Auslöser des Handgemenges: Nach Polizeiangaben hat eine «unbekannte Anzahl Leute» die Demonstranten «verbal provoziert».
Wer die Provokateure waren, geht aus der Mitteilung der Polizei nicht hervor. Im Gespräch mit 20 Minuten gaben mehrere Demonstranten unabhängig voneinander an, es habe sich um türkische Rechtsextreme gehandelt. Cihan Tas von der Freien Kurdischen Jugend sagt: «Das waren Mitglieder der Gruppierung ‚Graue Wölfe‘ – auf Türkisch Bozkurt genannt.» Sie hätten die Umzugsteilnehmer provoziert, indem sie ihr Erkennungszeichen, den sogenannten Wolfsgruss, gemacht hätten: Daumen, Mittel- und Ringfinger zusammen, den kleinen und den Zeigefinger abgespreizt. Das Zeichen ist laut Tas mit dem Hitlergruss vergleichbar.
«Ausgeprägter Nationalismus»
«Es waren nur zwei, drei Leute. Sie traten sehr aggressiv auf, haben die Kurden beschimpft und versuchten, sie anzugreifen», erzählt ein Demonstrant aus dem Umfeld des Revolutionären Bündnisses, der anonym bleiben will. Daraufhin seien Kurden und türkische Nationalisten aufeinander los. Cihan Tas bestätigt: «Leider gab es in unseren Reihen Leute, die sich provozieren liessen.» Dabei sei die Masche der Wölfe bekannt: Sie versuchten, kurdische Demonstrationen zu sabotieren, damit die Kurden in den Medien schlecht dastünden. Auch nach Kurden-Demos in Deutschland und Österreich berichteten Medien vom Auftauchen der Gruppierung.
In Deutschland werden die Grauen Wölfe vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch in der Schweiz sind sie keine Unbekannten: In einem Extremismusbericht des Bundesrates aus dem Jahr 2004 heisst es, Ziel der Grauen Wölfe sei die Errichtung eines grosstürkischen Reiches. «Sie pflegen einen ausgeprägten Nationalismus und Rassismus gegen ethnische Minderheiten in der Türkei und greifen auch Mitglieder türkischer linker Gruppen an.» In der Türkei werde ihnen die Ermordung von mehr als 5000 Personen angelastet. In der Schweiz sei es Ende der 1990er Jahre insbesondere im Raum Basel mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.
Möglicherweise «neue Generation»
Dies bestätigt Extremismus-Experte Samuel Althof. Er sagt allerdings: «Seither ist es ruhig geworden um die Grauen Wölfe. Soviel ich weiss, haben sie hier keine strukturelle Basis und sind nicht operativ tätig. Die Täter aus den 90er-Jahren müssten inzwischen alte Männer sein.» Auch im Lagebericht des Nachrichtendienstes werden die Wölfe mit keinem Wort mehr erwähnt. «Sollte die Gruppierung in der Schweiz tatsächlich wieder aktiv sein, dann müsste es sich um eine neue Generation handeln.»
Sicher ist laut Althof, dass sich die aktuellen Konflikte in der Türkei in anderen Ländern widerspiegeln. Die türkische Politik involviere ihre Diaspora sehr: «Dies kann im schlimmsten Fall zu gewalttägigen Auseinandersetzungen führen, im weniger schlimmen Fall zum Zerbrechen von langjährigen Beziehungen.» Es sei möglich, dass so die Bewegung der Grauen Wölfe in der Schweiz wieder «aufpoppe». Solange dies aber nicht eindeutig geklärt sei, seien solche Berichte mit Vorsicht zu geniessen. Bei der Stadtpolizei Zürich heisst es auf Anfrage, man habe die Provokateure an der Demonstration nicht identifizieren können, da es weder zu Festnahmen noch zu einer Anzeige gekommen sei. (20 Minuten)