Zofinger Tagblatt: Zofingen · Angriff auf Privatparty in Staffelbach: Der Anführer der Gruppe im Neonazi-Prozess muss zusätzliche zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. So lange sitzt er bereits wegen anderer Gewaltvergehen im Luzernischen.
Es war ein etwas einschüchterndes Bild im Saal des Bezirksgerichts: In Reih und Glied sassen ungewöhnlich viele Personen – die fünf Angeklagten mit ihren Anwälten und die Vertretung der Staatsanwaltschaft. Der Anführer der Bande, welcher sich in einer geschlossenen Massnahme befindet, wurde in Fussfesseln zugeführt. Alle Beschuldigten wirkten gefasst und gaben sich grösstenteils wortkarg. Ihre Strafregisterauszüge waren bereits vor dem Vorfall in Staffelbach lang. Seit dem Delikt im April 2012 hätten sie keinen Kontakt mehr untereinander gehabt, sagten die Beschuldigten. Und sie hätten sich mittlerweile von der rechtsextremen Szene distanziert oder abgewandt.
An der Neonazi-Szene geschätzt hätten sie vor allem den Zusammenhalt. Die gemeinsamen Ausflüge hätten Spass gemacht. Im Zentrum gestanden seien aber auch immer Alkohol, Gewalt und ein Machtkampf untereinander. Bei Hausdurchsuchungen waren bei der äusserst gewaltbereiten Gruppe unter anderem Schusswaffen, Munition, Kleber und Armbinden mit Hakenkreuzen sowie diverse CDs mit rechtsextremer Musik konfisziert worden. Diese Gegenstände wurden an die Staatsschutzstelle des Kantons Aargau abgegeben.
Die Attacke
Vor Gericht standen die fünf Personen, weil sie in Staffelbach eine Privatparty aufgesucht und fünf Personen verprügelt hatten. Der Anführer der rechtsextremen Gruppe hatte zuvor an der Party teilgenommen und rassistische Äusserungen gegen einen Deutschen und eine Frau mit dunkler Hautfarbe sowie deren Kinder geäussert. Der Gastgeber forderte ihn daraufhin mehrfach auf, das Fest zu verlassen. Er ging und kam mit seinen Prügler-Freunden zurück. Die Geschädigten erlitten Rissquetschwunden, Prellungen und Verstauchungen an diversen Körperpartien sowie Bisswunden oder «Veilchen».
Die Plädoyers
Die fünf Verteidiger waren sich einig, dass es sich beim vorliegenden Fall nicht um einen Angriff, sondern vielmehr um einen Raufhandel – also eine Schlägerei, bei welcher die Opfer genauso involviert gewesen seien –gehandelt habe. Die Opfer seien vorbereitet gewesen. Die Personen, welche nach der Warnung geblieben seien, hätten die Polizei benachrichtigen können. Das ganze Verfahren sei einseitig geführt worden, weil man den Tatbestand des Raufhandels nicht geprüft und die Opfer – welche den Prozess aus Angst nicht mitverfolgten – nicht auch angeklagt habe. Die Verteidiger plädierten denn auf Freispruch in den Punkten Angriff, einfache und versuchte schwere Körperverletzung sowie Sachbeschädigung. Einzig wegen Hausfriedensbruch seien die Angeklagten schuldig zu sprechen. Dass der Anführer dem Gastgeber einen Faustschlag verpasst hatte, war unbestritten. Es habe sich dabei aber um eine Tätlichkeit und nicht um eine einfache Körperverletzung gehandelt.
Nicht klar war, ob es noch einen sechsten Involvierten gegeben hat. Zumindest einer der Beschuldigten bestätigte dies mehrfach. Auch ungeklärt blieb die Frage, ob eine Tatwaffe – ein Baseballschläger oder eine Gewürzmühle – zum Einsatz gekommen war.
Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren unbedingt für den Anführer, dreieinhalb Jahre für zwei Mittäter und drei Jahre für einen Mittäter bedingt. Für die Frau forderte er zwei Jahre bedingt.
Die Urteile
Der Anführer der Bande – ein 28-jähriger Mann aus dem Suhrental – wurde schuldig gesprochen wegen einfacher Körperverletzung, Angriffs sowie Sachbeschädigung. Das Gericht verurteilte ihn zu einer unbedingten Haftstrafe von zweieinhalb Jahren sowie einer begleitenden Sucht- und Psychotherapie.
Die drei Komplizen wurden schuldig gesprochen des Angriffs sowie der mehrfachen Sachbeschädigung. Zwei von ihnen bekamen 24 Monate bedingt bei einer Probezeit von vier Jahren, der dritte Mittäter 19 Monate bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die involvierte Frau, welche Wache gestanden haben soll, wurde freigesprochen der Gehilfenschaft und des Hausfriedensbruchs. Allerdings verurteilte das Gericht sie zu einer Geldstrafe von 8150 Franken, weil sie im November betrunken mit dem Auto von Spiez nach Sissach gefahren war.