Der Propagandist

work: Wo Israel kritisiert wird, ist der Pro-Israel-Lobbyist Sacha Wigdorovits nicht fern. Das hat auch der work-Kolumnist Jean Ziegler erlebt.

Seit dem 21. August ist der PR-Berater Sacha Wigdorovits (62) im Krebsgang unterwegs. An jenem Tag deckte der «Tages-Anzeiger» seine Verstrickungen in der Affäre des Grünen-Politikers Geri Müller auf. Zur Erinnerung: Müller unterhielt eine Chat-Beziehung zu einer Frau. Er hatte dieser auch ein Unten-ohne-Selfie von sich geschickt. Die «Schweiz am Sonntag» liess die Geschichte auffliegen, es folgte ein regelrechter Mediensturm.

Tagi-Redaktorin Michèle Binswanger enthüllte dann die Rolle des Zürcher PR-Beraters: Wigdorovits habe Geri Müllers Chat-Gespielin gedrängt, ihm das belastende Material auszuhändigen. Der PR-Mann habe darauf versucht, die Geschichte in mehreren Zeitungen zu placieren. Wigdorovits stritt zunächst alles ab. Schliesslich musste er aber nach und nach zugeben, dass er Müllers Chat-Partnerin persönlich getroffen habe. Dass er ihr die Namen der Chefredaktoren von «Blick» und «Sonntagszeitung» genannt habe. Und dass er mit dem Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», mit Patrik Müller, über die Geschichte geredet habe.

Nur gerade das zugeben, was sich nicht mehr abstreiten lässt: Da kann Kommunikationsberater Roland Binz nur den Kopf schütteln. Er sagt zu work: «Erstaunlich, wie ein PR-Profi so viele Fehler machen kann.»

verschwörung

Der Unwahrheiten überführt, sah sich Wigdorovits plötzlich als Opfer und präsentierte folgende Lesart der Geschehnisse auf persoenlich.com: Der «Tages-Anzeiger» und die «Sonntagszeitung» hätten die «These vom (jüdischen) Komplott gegen das arme Geri-Mäuschen mit seinen noch unschuldigeren Hamas-Buddies» in die Welt gesetzt. Wigdorovits spricht von einer «antisemitisch angehauchten Tamedia-Müller-Verschwörung». Damit lancierte er das Killerargument.

In der gleichen Logik hatte der «Blick» berichtet. Unter dem Titel «Geri Müller bringt Juden ins Spiel» schrieb Chefredaktor René Lüchinger, ein alter Bekannter Wigdorovits’, der Badener Stapi versuche, «den in der Stadt angesehenen Josef Bollag in die private Angelegenheit um seine Nacktbilder hineinzuziehen».

Heute wissen wir, dass besagter Bollag längst in das Geri-Gate verstrickt war. Auch er hatte Kontakt zu Müllers Chat-Geliebter. Und bereits 2012, als Geri Müller als Stadtammann kandidierte, wollte Bollag den grünen Müller verhindern.

Bollag und Audiatur

Josef Bollag ist Präsident der israelitischen Kultusgemeinde in Baden. Und ein Jugendfreund von Wigdorovits. Bollag war bis 2008 auch Vizepräsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. Seine Zeit dort beschrieb die jüdische Wochenzeitung «Tachles» als «Ära ethisch fragwürdiger Agitation in einer Mentalität von Angst und Paranoia». Immer wieder ging Bollag juristisch gegen «Tachles» vor, auch gegen diesen Passus. Bollag gilt als proisraelischer Hardliner. Er ist ein erbitterter Gegner von Israel-Kritiker Geri Müller. So wie Wigdorovits auch. Der «Weltwoche» diktierte der PR-Mann: «Geri Müller ist ein Antisemit.» Heikles Terrain.

Wigdorovits’ Mutter hatte mit ihrer Familie vor den Nazis aus Polen in die Schweiz fliehen müssen. Dieses Schicksal sollte den Sohn nachhaltig prägen. Gemeinsam mit dem Basler Theologen Ekkehard Stegemann gründeten Wigdorovits und Bollag 2011 die Stiftung Audiatur. Sie betreibt aktives Pro-Israel-Lobbying. Neben den Mitteln des üblichen Polit-Lobbyings sieht die Stiftung auch Interventionen bei «Chefredaktoren und bei Verlegern» vor. Dies sei nötig, so Wigdorovits, da «die Journalisten traditionell mehrheitlich links und deshalb antiisraelisch» seien.

In der Israel-Frage «unabhängig» berichten seiner Meinung nach nur die «Weltwoche» und der «Blick».

Gegen Ziegler

Die Interventionen von Sacha Wigdorovits’ Audiatur hat auch Menschenrechtsexperte und work-Kolumnist Jean Ziegler erlebt. Vor einem Jahr versuchte die Stiftung, seine Wiederwahl als Berater des Uno-Menschenrechtsrates zu verhindern. Für eine Kampagne der Berner Sektion der Gesellschaft Schweiz-Israel bearbeitete und verbreitete die Stiftung einen Brief von «UN-Watch», einer Organisation, die sich für die Rechtsaussenregierung Netanyahus einsetzt. Und gegen Israel-Kritiker wie Ziegler. Am Telefon sagte Wigdorovits spontan zu work, er verabscheue «Zieglers Aussenpolitik zutiefst». Später konkretisierte er das Zitat per Mail: «Jean Ziegler mit seiner Israel immer wieder in perfider Weise diffamierenden Aussenpolitik lehne ich seither ab.» Der Uno-Menschenrechtsrat sah das anders und wählte Jean Ziegler mit 33 zu 12 Stimmen.

Schwarz- oder weisswaschen, das ist das Business des PR-Beraters und ehemaligen Journalisten Wigdorovits. Vom Winterthurer «Landboten» stieg er über den «Tages-Anzeiger» bis zum «Blick»-Chefredaktor auf.

1998 gründete er die PR-Agentur Contract Media. Seither hilft er zahlungskräftigen Kunden, die in der Bredouille stecken. Den ehemaligen Asbest-Hersteller Eternit (Schweiz) AG vertritt seine Contract Media ebenso wie den Billig-Elektronikhändler Media Markt, die Privatbank Falcon und die Immobilienfirma Züblin. Bei der Annahme seiner Mandate ist er nicht heikel: Auch dem Milliardärssohn und mutmasslichen Sex-Grüsel Carl Hirschmann verhalf PR-Mann Wigdorovits schon zu besseren Schlagzeilen.

Doch es klappt nicht immer. Seine Gratiszeitung «.ch» scheiterte nach knapp einem Jahr. Wie auch seine Dienste für den Swissmetal-CEO Martin Hellweg scheiterten. 2006 streikten die Arbeiter der Fabrik Boillat im Berner Jura gegen das Missmanagement der Konzernspitze. Sie holten sich Unterstützung bei der Unia. Und der hemdsärmlige Swissmetal-Chef Hellweg holte sich Sacha Wigdorovits. Seinem Mandanten Hellweg hat Spindoctor Wigdorovits nichts genützt. Der Konzernchef musste schliesslich gehen.

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