Neue Luzerner Zeitung
Nach einem völlig missglückten Vorschlag für die Besetzung einer Richterstelle hat die SVP Ersatz gefunden. Der Jurist ist in seiner Branche respektiert – hat aber aus Sicht der SVP einen Makel.
Von Freddy Trütsch:
Am Zuger Kantonsgericht wird per Ende Januar 2014 eine Richterstelle frei. Anspruch auf den Sitz hat die SVP. Die Partei hatte auch bereits einen Kandidaten im Auge. Am Montag allerdings überschlugen sich die Ereignisse nach Recherchen unserer Zeitung. So hatten sich Gerüchte erhärtet, wonach sich der Jurist bei seinem früheren Arbeitgeber, der Steuerverwaltung Schwyz, ungebührlich verhalten hatte. Unter anderem habe er immer wieder rechtsextreme Äusserungen gemacht. Nach einer Eskalation an einer Weihnachtsfeier hatte er dann seine Stelle «in gegenseitigem Einvernehmen» Anfang 2013 gekündigt. Und noch am Montag, nach Bekanntwerden der Vorwürfe, musste sich auch die SVP von dem möglichen Richterkandidaten distanzieren (Ausgabe von gestern).
Angestellt bei Rolf Schweiger
Jetzt hat die Zuger SVP aber bereits einen neuen Kandidaten im Visier, wie Parteipräsident Markus Hürlimann erklärt. Um wen es sich handle, werde er aber erst an der Parteiversammlung von morgen Donnerstag in Baar sagen. Sein Geheimnis ist allerdings keines mehr: Er wird den SVP-Mitgliedern den Zuger Anwalt Philipp Sialm als Kandidaten für die Richterstelle vorschlagen. Der 41-Jährige studierte an der Uni in Basel Rechtswissenschaften, machte 1999 das Anwaltspatent und war von 2000 bis 2005 Gerichtsschreiber am Kantonsgericht in Zug. Seit 2005 arbeitet Philipp Sialm in der Advokatur des früheren Präsidenten der FDP Schweiz, Rolf Schweiger, in Zug.
Übrigens: Philipp Sialm war bereits an einer Vorversammlung der SVP Thema. Die Mitglieder entschieden sich dann aber gegen ihn, unter anderem weil er noch nicht Parteimitglied ist. Das wird er aber nach einer allfälligen Nomination nachholen.
Bestätigung von «hoher Stelle»
Der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler (SVP), der die Wende wesentlich beeinflusst hatte, ist auch Stunden nach dem Beschluss überzeugt: «Ich bin 100 Prozent sicher, dass wir richtig entschieden haben. Ich bin sehr froh darüber, denn sonst hätten wir das grösste Debakel in der Parteigeschichte erlebt.» Ihm seien die Vorwürfe an den fraglichen Zuger Juristen von einer hohen Stelle bestätigt worden.
SVP-Präsident ist verärgert
Trotz dieser offensichtlichen Fakten ist SVP-Parteipräsident Markus Hürlimann noch immer verärgert über die Vorgänge der letzten Tage. Er hätte es zum Beispiel sehr geschätzt, «wenn die ‹Neue Zuger Zeitung› gar nicht gross über die ausserordentliche Sitzung der erweiterten Parteileitung geschrieben hätte». Und damit auch nicht über die Beinahe-Nomination eines in Sachen politische Positionierung und Teamfähigkeit problematischen Kandidaten für den frei werdenden Richtersitz. Schliesslich, so Hürlimann, habe sich der Jurist freiwillig zurückgezogen. Hürlimann dementierte aber nicht, dass erst grosser Druck entstehen musste, bevor die Parteileitung eine Kursänderung einleitete.
Für Markus Hürlimann ist unverständlich, dass die übrigen Parteien, «die ja schon länger von den Gerüchten um den Kandidaten Kenntnis hatten», sich nicht bei ihm gemeldet hätten. Das stimme so nicht, antwortet FDP-Parteipräsident Jürg Strub. Man habe erst vor rund einer Woche bruchstückartig davon erfahren. Und zudem «ist es nicht unsere Aufgabe, Kandidaten der anderen Parteien zu durchleuchten». Und CVP-Parteipräsident Martin Pfister entgegnet, dass er SVP-Fraktionschef Manuel Brandenberg zwei Namen gegeben habe, bei denen er sich hätte erkundigen können.
Er ist das «beste Pferd im Stall»
Hans-Rudolf Wild von der Advokatur Schweiger in Zug mag über die mögliche Nomination von Philipp Sialm allerdings nicht nur jubeln. «Er ist unser bestes Pferd im Stall», sagt er. Aus dieser Sicht bedaure er einen möglichen Abgang. «Andererseits würde ich mich für ihn freuen. Es ist eine logische Entwicklung.» Sialm sei nicht nur ein äusserst guter Jurist, als ehemaliger Gerichtsschreiber kenne er auch das Kantonsgericht sehr gut. Und als Mensch sei er eine zentrale Figur in der Advokatur. «Er kann mit allen Leuten problemlos umgehen. Er wäre für das Gericht eine Topbesetzung.»
Knatsch im Zuger Kantonsgericht
Das Zuger Kantonsgericht hat in jüngster Zeit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Im vergangenen Mai wurde eine Administrativuntersuchung eingeleitet wegen Vorwürfen von Mobbing und Amtsmissbrauch innerhalb des Richtergremiums. Im Visier steht vor allem Kantonsrichter Michael Beglinger. Der 57-Jährige ist seit Eröffnung der Untersuchung suspendiert.
Kosten bis zu 1 Million
Letzte Woche hat der Zuger Kantonsrat einen Ersatzrichter gewählt. Es handelt sich dabei um den bisherigen Kanzleivorsteher des Kantonsgerichts, den 50-jährigen Laurent Krähenbühl (Ausgabe vom 29. November). Krähenbühl ist für ein Jahr gewählt – ob der suspendierte Richter Beglinger dann zurückkommt, ist allerdings unklar. Sollte er bis Ende seiner Amtszeit 2016 suspendiert bleiben, entstehen dem Kanton Zusatzkosten von bis zu einer Million Franken. Darin sind einerseits die Untersuchungskosten enthalten, aber auch die zusätzlichen Lohnkosten – während mehrerer Jahre würden sowohl der Ersatzrichter als auch der suspendierte Richter Lohn beziehen.