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Sie verdreht ihren SVP-Kollegen den Kopf – doch Céline Amaudruz will als Politikerin ernst genommen werden. Bei einem Kaffee spricht die Genferin über Schönheit und Patriotismus.
von Simon Hehli:
Wenn Céline Amaudruz durch die Sitzreihen im Nationalrat schreitet, folgen ihr die Blicke der hinter ihr platzierten SVP-Altherrengarde. «Mit ihren nussbraunen Augen, ihren langen blonden Haaren, die ihr hübsches Gesicht einrahmen, ihrem breiten Lachen und ihrem athletischen Körper bringt sie alle zum Schmelzen», schwärmte einst die Zeitschrift «L’illustré». Beim diesjährigen Fraktionsessen der SVP bezeichnete Schmutzli Peter Keller die Genferin als die «Schöne des Parlaments». Und Samichlaus Felix Müri hauchte: «Mon amour!»
Nun sitzt die welsche Antwort auf Natalie Rickli zugeknöpft vor ihrem Espresso im Bundeshaus – für ein Bier ist es an diesem sonnigen Berner Wintervormittag zu früh. Die Flirtversuche ihrer Kollegen quittiert sie mit einem Lachen: «Mir ist nur wichtig, dass mein Freund mich schön findet.» Sicher, Attraktivität helfe in der Politik. «Und ich habe kein Problem mit meiner Weiblichkeit.» Aber sie kennt auch die Schattenseiten eines sexy Auftretens – so hätten böse Zungen sie schon als Barbiepuppe tituliert. «Gibt sich eine Frau feminin, muss sie sich sexistische Kommentare anhören – doch ich höre da einfach nicht hin.»
Fast komplett auf Parteilinie
Nach zwei Jahren im Nationalrat gilt Amaudruz unter welschen Bundeshausjournalisten noch als politisches Leichtgewicht. Doch sie ist überzeugt, dass sie sich innerhalb der SVP-Bundeshausfraktion Respekt verschafft hat: Die von ihr präsidierte Genfer Kantonalsektion gewann bei den Wahlen im Oktober immerhin zwei Sitze hinzu. Den Sprung in die Genfer Regierung verpasste sie selber hingegen deutlich. «Das macht nichts – ich bin sehr zufrieden in Bern.»
Dort politisiert Amaudruz in der Mitte ihrer Fraktion. Sie weicht weder nach links noch nach rechts gross von der Parteilinie ab – ausser in der Frage der Abtreibungsfinanzierung: Diese solle Sache der Krankenkassen bleiben, findet sie im Gegensatz zu konservativen Parteikollegen wie Peter Föhn. Den Vergleich mit der französischen Rechtsextremen Marine Le Pen, den Journalisten gern anstellen, hält Amaudruz denn auch für doof: «Sie ist blond und Frau, ich auch – na und?»
Ein gestählter Körper
Da vibriert ihr Pager – eine Abstimmung ruft. Die 34-Jährige übt ihr Mandat gewissenhaft aus und schwänzt kaum je während der Session. Welsche Laxheit ist auch sonst ihre Sache nicht: Während ihrer Berner Wochen, stählt sie ihren Körper jeden Morgen um halb sechs im Fitnesscenter. «Mir reichen drei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht», berichtet sie, als sie vom Abstimmen zurück ist. Für Aufsehen sorgte Amaudruz, als sie im August in 35 Minuten eine 1,85 km breite Stelle des Genfer Sees durchschwamm – und damit gegen die verstopften Strassen ihrer Heimatstadt protestierte.
Die Energie habe sie von ihrer Mutter geerbt, sagt Amaudruz. Sie wuchs in einer vermögenden Familie auf. Céline hatte ihr eigenes Pferd, das Reiten ist eine ihrer grossen Leidenschaften. Sie folgte ihren Eltern – beide Anwälte – und studierte Jura. Heute arbeitet sie in einem 60-Prozent-Pensum bei der UBS und betreut als Vermögensberaterin ultrareiche Schweizer.
Wie will sie vor diesem beruflichen und familiären Hintergrund die Sorgen des kleinen Mannes – immerhin eine SVP-Kernkompetenz – verstehen? «Für mich spielt es keine Rolle, ob jemand arm oder reich ist», betont Amaudruz. Sie unterhalte sich auf der Strasse oder an Springreitturnieren mit allen Gesellschaftsschichten und verstehe so deren Probleme. «In der Politik bin ich für alle da.»
Ihr Kampf für die Schweizer Flagge
Als ihre grossen Themen bezeichnet sie die Massnahmen gegen Sexualstraftäter – so hat sie angeregt, diesen einen Chip zu implantieren. Und das Verhältnis zur EU: Der Kampf von SVP-Doyen Christoph Blocher gegen den EWR hat 1992 die damals 13-jährige Céline elektrisiert. Nein, Blocher-Fan sei sie nicht. «Aber ich respektiere und bewundere ihn sehr.»
Amaudruz jasst gern, liebt die Schweizer Berge und Fondue. Die distanzierte Haltung vieler Genfer gegenüber der Restschweiz ist der gebürtigen Waadtländerin fremd – sie ist Patriotin durch und durch. In einem ihrer bisher 27 Vorstösse fordert sie eine dreijährige Haftstrafe für Leute, die eine Schweizer Flagge verbrennen oder die Toilette runterspülen. Der Bundesrat liess die Juristin daraufhin wissen, eine solche Gesetzesänderung würde gegen die Meinungsfreiheit verstossen.
Bundesrätin? «On verra»
Ihren Espresso hat Amaudruz schon lange ausgetrunken. Dass ihr Ehrgeiz mit dem Nationalratsmandat noch nicht gestillt ist, verhehlt sie nicht. Sie möchte vorerst mithelfen, die SVP in der Romandie weiter zu stärken. In vier Jahren wird sie nochmals zum Sprung in die Genfer Exekutive ansetzen. Und falls Oskar Freysinger sich irgendwann auf seine Mandate als Walliser Regierungsrat und Nationalrat konzentrieren will, steht sie bereit, ihn als SVP-Vizepräsident zu beerben.
Kann sie es zur Bundesrätin bringen? «On verra», meint sie. Es wäre eine doppelte Premiere: Amaudruz wäre die erste Frau und die erste Vertreterin der Romandie auf einem SVP-Sitz. Ob dann auch die hämischen Kommentare zu ihrem Äusseren verstummen würden? On verra.