Neonazi-Geld für Terrorhelfer

SonntagsZeitung vom 03.03.2013

Berner Musikvertrieb verkauft Solidaritäts-CD – Spenden gehen an die Ehefrau

 

Von Fabian Eberhard

BERN Schweizer Neonazis sammeln Geld für den inhaftierten Terrorhelfer Ralf Wohlleben. Über den rechtsextremen Internet-Musikvertrieb Holywar Records bieten Aktivisten aus dem Berner Oberland für zwanzig Franken eine Solidaritäts-CD für den mutmasslichen Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes NSU zum Kauf an (siehe Foto links unten).

Die Einnahmen sollen vollständig den Prozesskosten des ehemaligen NPD-Funktionärs zugutekommen. Mitte April steht dieser wegen Beihilfe zu Mord in neun Fällen vor Gericht. Er gilt als vierter Mann des NSU, dessen Mitglieder zehn Menschen ermordet haben sollen.

Die CD «Solidarität IV» ist zentraler Bestandteil einer Kampagne, mit der rechtsextreme Unterstützer für die Freilassung von Wohlleben kämpfen. Auf dem in Deutschland produzierten Sampler befinden sich Lieder von 15 Rechtsrock-Bands. Strippenzieher bei den Aufnahmen im vergangenen Jahr war laut dem Thüringer Innenministerium das in Deutschland verbotene Neonazi-Netzwerk Blood & Honour. An vorderster Front: die Thüringer Band Sonderkommando Dirlewanger (SKD), deren Mitglieder als ehemalige Weggefährten von Wohlleben gelten.

Ehefrau spielt eine zentrale Rolle im Solidaritätsnetzwerk

In einem Lied auf der CD singt die Band: «Warum haltet ihr die Fresse, was habt ihr schon zu verlieren. Schluss mit dem Schweigen, wir werden uns nie distanzieren. Freiheit für Wolle (Spitzname für Wohlleben, A. d. R.) fordern wir.» Und: «… man sperrt dich weg als Terrorist … wir stehen zu dir.»

Seit Ende des letzten Jahres wird die CD über einschlägige Internetsites in Deutschland verkauft. Dass sich jetzt auch Neonazis hierzulande an der Kampagne beteiligen, ist brisant und belegt erstmals aktuelle Verbindungen zwischen Schweizern und dem engsten NSU-Umfeld.

Wie intensiv sich Schweizer Aktivisten an der Solidaritätskampagne beteiligen, lassen Aussagen von Insidern erahnen. Zuverlässige Quellen bestätigten, dass sich Neonazis aus dem Umfeld der Kameradschaft Berner Oberland mit Wohllebens Ehefrau in Deutschland getroffen und ihr Spendengelder überbracht haben. Sie soll eine zentrale Rolle im Solidaritätsnetzwerk für ihren Mann spielen.

Auffallend ist zudem: Auch auf Facebook fordern Schweizer Rechtsextremisten die Freilassung des mutmasslichen Terrorhelfers.

Als Kontaktperson für den Berner Onlineshop fungiert der aus der Gegend von Thun stammende M. Gaggioli mit seinem Verein Meinungs- und Redefreiheit in Kunst und Medien. Er übernahm den Versand vom Spiezer Neonazi Mario Friso. Letzterer geriet nach dem Auf fliegen der Rechtsterroristen in die Schlagzeilen, weil er bis ins Jahr 2008 enge Kontakte mit mutmasslichen NSU-Unterstützern in Zwickau pflegte. Pikant: Gaggioli und Friso sind beide ehemalige Vorsitzende der Berner Oberländer Sektion der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos).

Deutsche Strafverfolgungsbehörden prüfen jetzt ein Verbot der CD. Das geht aus einem Dokument der Landesregierung Thüringen hervor, das der SonntagsZeitung vorliegt. Darin schreiben die Verantwortlichen auch, dass Wohlleben vor seiner Verhaftung Kontakt zu ausländischen Musikvertrieben hatte. Ob darunter auch der Berner Shop war, ist nicht bekannt.

Weder die Berner Sicherheitsbehörden noch der Nachrichtendienst des Bundes NDB und die Versandverantwortlichen wollten sich zu den Recherchen äussern.