Aargauer Zeitung vom 08.09.2012
Bremgarten · Staatsanwaltschaft darf jetzt Handy von Patric G. untersuchen
Silvan Hartmann
Ist das der Durchbruch bei den Ermittlungen zu einem möglichen Tötungsdelikt? Die Aargauer Staatsanwaltschaft darf zur Aufklärung des mysteriösen Todes von Patric G. in Bremgarten Randdaten seines Mobiltelefons rückwirkend auswerten. Das hat das Bundesgericht entschieden.
Randdaten sind Angaben eines Mobilfunkbetreibers, die verraten, zu welcher Zeit welches Mobiltelefon bei welcher Antenne eingeloggt war. Das Aargauer Zwangsmassnahmengericht, das unter anderem für Bewilligungen geheimer Überwachungsmassnahmen zuständig ist, wollte der Staatsanwaltschaft diese Auswertung verbieten.
Er war in der rechtsextremen Szene
Am Abend des 14.März 2012 verabschiedet sich der 20-jährige Patric G. zu Hause bei seinen Eltern in Bünzen und macht sich auf den Weg in den Ausgang. Er kehrt nicht mehr nach Hause zurück. Eine Suchaktion bleibt erfolglos. Neun Tage danach entdecken ihn Schüler bei der Post in Bremgarten – tot am Ende einer steilen Treppe liegend.
Patric G. muss schon Tage vor dem Fund verstorben sein. Bis heute ist nicht restlos geklärt, wie der Jugendliche ums Leben kam. Ein Suizid kann laut Behörden ausgeschlossen werden. Der Verstorbene wies im Blut eine Alkoholkonzentration von 1,3 Promille auf. Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass Patric G. alkoholisiert die Treppe hinuntergestürzt ist – es soll sich um einen Unfall handeln.
Dennoch wollen die Ermittler sichergehen, dass in diesem Fall kein Tötungsdelikt vorliegt. Es muss in Betracht gezogen werden, dass eine oder mehrere Personen den Verstorbenen die Treppe hinuntergestossen haben. «Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass der Verstorbene in der rechtsextremen Szene verkehrt hatte», schreibt das Bundesgericht.
Eine Strafuntersuchung gegen unbekannt wurde eröffnet. So erscheint es den Bundesrichtern als unwahrscheinlich, dass der 20-Jährige völlig allein Alkohol konsumiert habe. Doch trotz eingehender Nachforschungen fanden die Ermittler nicht heraus, wo sich Patric G. am Abend des Verschwindens überall aufhielt, mit wem er zusammen war und was er vor seinem Tod gemacht hatte.
Die Ermittlungen blieben insbesondere erfolglos, weil die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten aus technischen Gründen nicht ausgewertet werden konnten. Mit einer Verfügung vom 5.April lehnte das Zwangsmassnahmengericht die rückwirkende Telefonüberwachung ab: Die Staatsanwaltschaft verfüge über andere Möglichkeiten. So könnten etwa Patrics Eltern Informationen über Datum, Zeit und Dauer der Telefonverbindungen in Erfahrung bringen, argumentierte das Gericht.
Staatsanwaltschaft zufrieden
Die Staatsanwaltschaft reichte Beschwerde ein und siegte nun vor Bundesgericht: Sie darf rückwirkend das Handy von Patric G. untersuchen und die Positionsdaten seines Mobiltelefons auswerten. Dies, weil die Staatsanwaltschaft sonst über keine wertvollen Ermittlungsergebnisse verfügt.
Sie zeigt sich mit dem Urteil des Bundesgerichts zufrieden: «Es ist gut möglich, dass wir dadurch neue Ermittlungsansätze finden», sagt Philipp Umbricht, Leitender Oberstaatsanwalt, der az Aargauer Zeitung. Vom unterlegenen Zwangsmassnahmengericht wollte gestern auf Anfrage niemand eine Stellungnahme zum Urteil abgeben.