20 minuten online vom 08.07.2012
Die rassistischen Online-Aktivitäten einiger SVP-Parteimitglieder haben hohe Wellen geworfen. Die Partei ist über das weitere Vorgehen unschlüssig. Derweil kam ein neuer Fall ans Licht.
Begonnen hatte alles mit dem Twitter-Eintrag des SVP-Mannes Alexander Müller, in dem er eine Kristallnacht gegen Muslime angeregt hatte. Müller verlor neben seinem Job auch die Parteimitgliedschaft. Seither wurde auch der Fall des Solothurner Parteimitglieds Beat Mosimann bekannt, der Online zu Gewalt gegen Ausländer aufrief.
Von den schockierenden rassistischen Gewaltfantasien ihres Solothurner Mitglieds Beat Mosimann, die letzte Woche ans Licht kamen, wollte die SVP nichts gewusst haben. Doch ein Bericht der Zeitung «Der Sonntag» zeigt, dass die Partei schon lange gewarnt war. Ein Mitglied machte die verantwortlichen Stellen mehrfach darauf aufmerksam, dass Mosimann auf dem SVP-Diskussionsforum zu Gewalt aufrief.
Auf Facebook sind etliche SVP-Mitglieder eng mit der rechtsextremen Szene vernetzt. In vielen Einträgen werden Muslime pauschal diffamiert. Es finden sich auch Aufrufe zu Gewalt gegen Ausländer, Muslime und Linke. Vom Fall Mosimann aufgeschreckt, beginnen nun einzelne SVP-Kantonalparteien damit, ihre Mitglieder besser zu kontrollieren. Der Präsident der Solothurner Amtspartei Bucheggberg-Wasseramt, Hans Marti, hat ein Parteimitglied damit beauftragt, die einschlägigen Facebook-Seiten nach rassistischen und gewaltverherrlichenden Einträgen von Parteimitgliedern zu durchforsten.
SVP uneins über Vorgehen
Fliegt jemand auf, soll er aus der Partei ausgeschlossen werden. «Damit wollen wir aus den Schlagzeilen herauskommen», sagt Marti. Der Solothurner SVP-Kantonalpräsident Walter Wobmann kann sich vorstellen, diese parteiinterne Facebook-Kontrolle im gesamten Kanton einzuführen. Von den Amts- und Ortsparteien hat er verlangt, Neumitglieder besser zu durchleuchten. Die Präsidenten der St. Galler und Berner Kantonalparteien, Herbert Huser und Rudolf Joder, halten diese Selbstkontrolle für eine gute Idee. «Die SVP muss aufmerksamer sein, weil wir uns von den Rechtsextremen abgrenzen wollen», sagt Huser.
Führende Köpfe der SVP sprechen sich jedoch gegen eine «Gesinnungskontrolle» ihrer Mitglieder aus. Er halte nichts von Verhaltensregeln, sagt Generalsekretär Martin Baltisser. Diese liessen sich ohnehin nur schwer durchsetzen. Auf «Teleblocher» sagte Christoph Blocher diese Woche: «Ich bin nicht dafür, dass man in den Parteien Gesinnungsprüfungen macht. Und man muss auch aufpassen, dass man nicht alle sogenannten Spinner aus den Parteien rausdrückt.» Das gebe gefährliche Bewegungen. «Wenn Sie die Spinner ausgrenzen, gründen diese eigene Parteien.»
Auch Parteipräsident Toni Brunner ist gegen eine verschärfte Kontrolle. «Ich werde auch künftig Neumitglieder nicht ausspionieren und unsere Mitglieder mit Maulkörben und Verboten belegen», sagt Brunner zum «SonntagsBlick». Solche Fälle könnten auch künftig nie ganz ausgeschlossen werden. Denn jede Person sei für ihre Aussagen selbst verantwortlich. «Extreme Ansichten gibt es hüben wie drüben. Die SVP kann nicht bei jedem Einzelnen eine Gesinnungsschnüffelei durchführen.»
Krasser Fall
Wie verbreitet rassistische Äusserungen im Netz sind, zeigt ein weiterer Fall, den der «Sonntag» aufgedeckt hat. Beat M., der kein SVP-Mitglied ist, amtete bei den Schützen Steffisburg-Heimberg BE M. jahrelang als Jungschützenleiter. Bis Ende Februar brachte er Mädchen und Knaben das Schiessen bei. Gleichzeitig rief er auf Facebook zu Gewalt gegen Andersdenkende, Ausländer und Islamisten auf, wie die Zeitung berichtet. Zu Muslimen schrieb M.: «Anzünden, fertig tschüss». Zu Islamisten: «Alle an die Wand und bummmmm!»
Zu nicht genehmen Politikern: «Wir sollten uns langsam mal Gedanken machen, ob wir die behämmerte Linksbrut entsorgen wollen oder nicht.» Einem politischen Gegner drohte er: «Ich hätte da eine 357er (eine Munitionsart, Anm. der Red.) – wenn man dieses Ding an die behämmerte Birne hält, ist innerhalb von 1/10 Sekunde alles erledigt.»
Er sei «blöd angezündet» worden, rechtfertigt sich M. gegenüber dem «Sonntag». Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Er sah es als seine Aufgabe an, sein Gedankengut zu verbreiten – auch im Jungschützenkurs. So schrieb er auf Facebook: «I muess die Giele u Modis doch vor däm lingge Abschuum schütze». Auch mit dem Solothurner Rassisten Beat Mosimann stand er in Kontakt.
Sam Lohri, der Präsident der Schützen Steffisburg-Heimberg, will von allem nichts gewusst haben. Er sieht keinen Grund, M. aus dem Verein auszuschliessen. «Ich hatte mit ihm nie ein Problem. Seine Äusserungen sind das eine, sie auch wirklich durchzuführen, ist das andere. Das hat noch lange nicht mit Mord und Totschlag zu tun.»