Tages-Anzeiger vom 26.06.2012
In den Kommentarspalten von entlädt sich ein Sturm der Entrüstung über den Vorschlag der SVP, Schweizer in zwei Klassen zu teilen. Sogar der Vergleich mit Nationalsozialisten fällt.
Die SVP-Politikerin Barbara Steinemann brachte mit ihrer Motion am Montag im Zürcher Kantonsrat den Stein ins Rollen. Sie fordert, dass die Zürcher Behörden die Schweizer Bürger künftig konsequent in «Eingebürgerte» und «Schweizer seit Geburt» unterteilen sollen. Ein Vorschlag, an dem die Mehrheit der Leserinnen und Leser von kein gutes Haar lässt. Über 500 Kommentare wurden geschrieben, selten herrschte dabei so viel Einigkeit in der Leserschaft – und es wird scharf gegen die Partei geschossen.
«Das wars mit meiner Unterstützung für die SVP. Die sind einfach krank», schreibt beispielsweise Olaf Schmidt, und auch Wolfgang Lustig ist der Meinung, dass sich die Partei mit solchen Ideen gleich selbst abschaffen werde. Für Arthur Zimmermann wiederum ist die neuste Forderung der SVP schlicht ein weiteres Eigengoal. «Wer nimmt denn diese Partei noch ernst?», will er in seinem Kommentar wissen.
Richard Hennig weist darauf hin, dass die bürgerliche Partei mit ihrem Vorschlag sogar gegen die Verfassung verstosse: «Wir sind ein einig Volk. Alle Schweizer Bürger haben die gleichen Rechte und Pflichten. So stehts in unserer Verfassung. Will die SVP also die Verfassung ändern?» Und Lennart Kirill stellt in seinem Kommentar die Frage, was die Partei mit den Erkenntnissen aus dieser Unterscheidung überhaupt anfangen könne, denn «der Vorschlag löst keine Probleme, sondern bewirtschaftet bloss Ressentiments».
Ein «Schritt in eine faschistoide Zukunft»
Auffallend häufig werden in den Kommentarspalten Vergleiche mit der nationalsozialistischen Geschichte hinzugezogen. So stellt Ike Conix die Frage nach dem Unterschied «zwischen dem Rassenwahn der Nazis und der Abstammungstheorie der SVP».
Einige Leser fragen sich, was als Nächstes kommen könnte. Fabian Landherr befürchtet, dass in den Schaufenstern bald der Aushang «Wir bedienen keine Eingebürgerten!» zu sehen sein wird, und Frank Anhalt fragt sich, ob bald ein E für Eingebürgert auf dem Revers angebracht werden müsse. Oder ob Stadtteile für Leute eingerichtet werden, die nicht «reine Schweizer» sind? «Das ist ein Gedankengut, welches ich für sehr bedenklich halte», mahnt er.
Noch deutlichere Worte findet Ernst Stampf: «Schande über jeden, der einen solchen Vorschlag bringt! Schande über jeden, der diesen vertritt! Sonst kommt nämlich die Schande international über die Schweiz, die somit einen schnellen Schritt in eine faschistoide Zukunft machen würde.»
Diese Meinung vertritt auch Chantal Rettenmund. «Diese Partei schadet der Schweiz zunehmend. Im Ausland gelten wir immer mehr als Rassisten und Rechtsextreme», schreibt sie. Dario Brenner bezeichnet die SVP gar als eine Hypothek und Schmach für die Schweiz: «Sie hat es geschafft, das Image unseres Landes innert kürzester Zeit völlig zu zerstören.»
Hellroter und regenbogenfarbiger Pass?
Wer die neuste Forderung der SVP nicht direkt angreift, der führt sie ad absurdum. So findet Andi Wacker die Unterteilung der Partei in «Eingebürgerte» und «Schweizer seit Geburt» viel zu grob. «Man sollte noch unterscheiden zwischen Schweizern mit natürlicher Geburt und solchen durch Kaiserschnitt.»
Leonie Berger fasst in ihrem Kommentar gleich ihren Stammbaum zusammen: «Meine Mutter ist ursprünglich Deutsche, ihre Eltern waren Franzosen. Mein Vater ist Doppelbürger Schweiz/USA. Gibt es für Menschen wie mich dann einen regenbogenfarbigen Pass?» Mascha Stieger wiederum freut sich schon auf ihren «hellroten Pass», denn «leider ist nur mein Vater Schweizer – ach ja, ich habe es mir ja so ausgesucht».
Anton Aeggimann schliesslich stellt die Frage, die bei solchen Themen natürlich nicht fehlen darf: «Müsste meine Frau – gebürtige Tschechin – als Schweizerin 2. Klasse auch nur noch 80 Prozent der Steuern zahlen?»