Der Bund vom 05.05.2012
O-Ton Die Wimmiser Schüler kamen über einen 19-Jährigen in Kontakt mit der rechten Szene. Dieser sagt nicht viel – aber was er sagt, klingt hart.
«Helvetische Jugend in Thun? Diese Gruppierung gibt es schon lange nicht mehr», sagt der junge Mann am Telefon. Die freundliche Stimme gehört einem 19-jährigen Wimmiser. Er ist der ältere Bruder des Neuntklässlers, der an der Realschule Chrümig mit rechtsextremen Aktivitäten aufgefallen ist – zusammen mit dem um ein Jahr jüngeren Luca* (siehe Hauptartikel). Als die Vorkommnisse gegen Ende Februar bekannt wurden, sprach der Gemeindepräsident von Wimmis davon, die beiden Schüler stünden in Verbindung mit einer rechtsextremen Gruppierung in Thun. In diesem Zusammenhang fiel der Name «Helvetische Jugend».
Die vor acht Jahren im Oberaargau gegründete Organisation trägt das Kürzel HJ – offensichtlich in Anlehnung an die Hitlerjugend. Die Antifa widmet der HJ in ihrem neusten Bericht (siehe unten) eine Seite. Die Organisation versuche «eine salonfähige, rechtsextreme Jugendkultur aufzubauen», heisst es dort. Als eigentliche Jugendorganisation der Partei National Orientierter Schweizer diene sie der Nachwuchsrekrutierung. 2009 sei «grossspurig» die Gründung einer Sektion im Oberland verkündet worden, was sich aber in der Praxis «lediglich als Verschiebung der eher raren Aktivitäten erwies». Der 19-Jährige quittiert den Hinweis auf den Antifa-Artikel mit einem Lachen. «Das sind Gestalten für sich.» Die Antifa-Leute hätten mit allem ein Problem, «das nach Glatze aussieht. Und vieles, was sie schreiben, stimmt nicht.»
Dass sein jüngerer Bruder und dessen Freund über ihn mit der rechtsextremen Szene in Berührung kamen, wird von ihm bestätigt. Er bestätigt ebenfalls, dass der 14-jährige Luca keinen direkten Kontakt zur Gruppe hatte, wie das auch dessen Mutter sagte. «Er ist noch zu jung. Er hat noch gar nicht richtig begriffen, worum es geht.» Die Gruppe, in der er sich bewege, sei eigenständig. «Wir sind eine Handvoll Kameraden, die ab und zu zusammen ‹bräteln› gehen.»
Doch worum geht es? Der 19-Jährige stellt klar, er werde an dieser Stelle «bestimmt nicht alles lang und breit erklären». Aber kurz gesagt? «In der Schweiz halten sich viele auf, die gar nicht hierher gehören – die Abschaum sind.» Das wichtigste Erkennungsmerkmal sei die Hautfarbe, sagt er. Ob jemand schwarz oder weiss sei, «das sieht man jemandem sofort an». Und wer gehört sonst noch nicht hierher? Der junge Mann will sich auf keine weiteren Unterscheidungen festlegen und bleibt allgemein: «Alle, die mir persönlich nicht sympathisch sind.»
Vage bleibt er auch bei der Frage nach Verbindungen zu anderen Gruppierungen oder Rechtsextremen. «Klar kenne ich ein paar.» Er habe aber noch nie einer anderen Gruppe angehört, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Auffassungen. So sei es aus seiner Sicht nicht gut – offenbar im Gegensatz zur Meinung anderer Rechtsextremer -, «gegen eigene vorzugehen». Ob die Gruppe, in der er aktiv ist, einen Namen trägt, will er nicht sagen. «Das ist für Sie nicht relevant.» Aber wie steht es mit der Gewalt? «Von uns kommt selten etwas», sagt er. Und wenn der Gruppe ein dunkelhäutiger Mensch begegnet? «Solange er den Kopf gesenkt hält und weitergeht», sagt der Rechtsextreme, «hat er von uns nichts zu befürchten.»
Dass die Helvetische Jugend in der Tat nicht mehr viel Vitalität verbreitet, lässt sich im Internet aus ihrem Gästebuch herauslesen. Einer der letzten Einträge datiert vom Oktober 2010: «Hallo Kameraden», steht da, «wann gibt es wieder einmal ein Treffen?»