Die Wochenzeitung vom 08.03.2012
Sind in Genf bald keine Demonstrationen mehr möglich? An diesem Wochenende wird über einen Gesetzesvorschlag abgestimmt, der auf Initiative des einstigen Aktivisten der rechtsextremen Vigilants und späteren liberalen Grossrats Olivier Jornot zustande gekommen ist.
Gewerkschaften, Linke und alternative Organisationen schätzen den Vorschlag als gefährliche Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein. Jetzt erhalten sie Unterstützung: Die SP Genf gelangte an die OSZE, um zu wissen, was sie vom neuen Gesetz halte. Und siehe da, die Organisation zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Europa bezeichnet in ihrer informellen Antwort drei Punkte des Gesetzes als problematisch.
In Bezug auf die Grundrechte sei es bedenklich, dass die OrganisatorInnen einer Demonstration selbst für einen Ordnungsdienst besorgt sein müssen oder sie mit einer Busse bis zu 100 000 Franken bestraft werden können, wenn es an der Demonstration zu Zwischenfällen kommt. Als problematisch betrachtet die OSZE auch, dass mithilfe des Gesetzes die Verantwortlichen mit einem bis zu fünf Jahre dauernden Verbot belegt werden können, weitere Demonstrationen zu organisieren.
«Tief besorgt über die Tragweite und die Konsequenzen» des neuen Gesetzes in Bezug auf die Grundrechte hat sich vor wenigen Tagen nun auch die linke Genfer Stadtregierung an die europäische Organisation gewandt. Sie möchte ein offizielles Gutachten erhalten, das die OSZE nur auf Anfrage einer staatlichen Stelle verfassen kann. Sollte das Demonstrationsgesetz an diesem Wochenende angenommen werden, ist also nicht nur mit Auseinandersetzungen vor Bundesgericht zu rechnen, sondern auch mit weiteren Schritten auf der europäischen Ebene. HB