Die Wochenzeitung vom 22.12.2011
Von Hans Stutz
Selbstverständlich distanzieren sich im Nachhinein im aargauischen Bettwil Gemeinderat und Komitee von den «verschiedensten zweifelhaften bis rassistischen Gruppierungen», die als «Trittbrettfahrer» den Dorfkampf gegen die Unterbringung von 140 Asylbewerbern «missbrauchen» würden. Nur: BettwilerInnen haben zum Mitfahren eingeladen. Am lautesten der Unternehmer und Komiteewortführer Roger Burri. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» fragt er zuerst rhetorisch: «Was, wenn an unserer Bushaltestelle plötzlich zwanzig Tunesier stehen?» Seine Antwort: «Die machen doch unsere Frauen blöd an.» Weiter erklärt er: «Die Humanität der Schweiz hat Grenzen. Sie darf nicht von Ausländern überflutet werden.» Burri plädiert für die Internierung der Asylbewerber, denn: Es sei kein Menschenrecht, sich frei bewegen zu können.
Wenig von den Menschenrechten hält auch die Europäische Aktion (EA), angeführt vom Holocaustleugner Bernhard Schaub. Die EA verteilt in Bettwil und den umliegenden Gemeinden ein Flugblatt. Darin lobt sie die BettwilerInnen für ihren «mutigen Kampf gegen das ‹Asylanten›-Heim», dieser wecke «Bewunderung» in der ganzen Schweiz. Nach dem Schmus folgt rassistischer Klartext. Das Flugblatt bezeichnet Asylsuchende als «Zivilokkupanten» und als «zivile Truppen einer kommenden Welt-Einheitsregierung», die das Ziel verfolge, «die selbständigen Völker und ihre Kulturen in einem Welt-Einheitsbrei untergehen zu lassen». Dahinter stecke, so die EA mit antisemitischem Unterton, ein «internationales Netzwerk unter amerikanisch-zionistischer Führung».
Politisch kapitalisieren wollen die Bettwiler Empörung auch die Aargauer Schweizer Demokraten (SD). Sie schreiben von «sogenannten Asylbewerbern», die «in grossen und bewachten Sammelzentren» einzuquartieren seien. Eine ähnliche Forderung hatte Burri – gemäss «Blick» – noch Ende November als Ausdruck des «Freiheitswillens des Volkes» gelobt. Sind die Rechtsextremen also Trittbrettfahrer? Wohl kaum: Die DorfbewohnerInnen haben Applaus und Unterstützung jener erhalten, deren Sache sie selber gefördert haben.