Liechtensteiner Vaterland vom 21.12.2011
Nachdem es im Internet um die rechtsradikale Szene in Liechtenstein eine Zeit lang relativ ruhig war, ist nun eine Seite der «Volkstreuen Jugend Liechtenstein » aufgetaucht. Die Polizei führt zurzeit Abklärungen durch.
Von Angela Hüppi
Vaduz. – Auf den ersten Blick kann die Internetseite der «Volkstreuen Jugend Fürstentum Liechtenstein» relativ harmlos wirken. Eine «natürliche» und «positive Lebenshaltung» suche man in der liechtensteinischen Jugend meist vergebens, steht da seit dem 5. Dezember. Die Macht des Materialismus führe dazu, dass zentrale geistige Werte verloren gehen, was zu sozialer Vereinsamung führen könne.
Auf den zweiten Blick wird aber schnell klar, aus welcher Ecke die Seite stammt: Die Gruppierung will «nationale und sozialistische Ideen» bekannt machen und propagiert Slogans wie «Demokraten bringen uns den Volkstod». Von «biologischer und geistiger Überfremdung» ist die Rede, und die Person wird nicht als Individuum, sondern als Teil eines Volks betrachtet.
Link zur Europäischen Aktion
Die Landespolizei führt zurzeit Abklärungen zu der Internetseite durch und kann noch nichts genaueres sagen. Das Ergebnis wird dann der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Untersuchung übermittelt werden. «Der Inhalt dieser Webseite geht in eine ähnliche Stossrichtung wie in Liechtenstein bereits bekannte Flugblätter und Plakate aus der Vergangenheit», sagt Mediensprecherin Tina Enz auf Anfrage.
Da die Formulierungen eher vorsichtig gewählt sind, besteht vermutlich kein Verstoss gegen die Rassismusnorm. Ein solcher würde beispielsweise vorliegen, wenn gegen Personen oder Gruppen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass und Diskriminierung aufgerufen wird. Schon die anonymen Flugblätter, die seit 2006 mehrmals an Liechtensteiner Haushalte verteilt wurden, stellten keinen klaren Verstoss gegen die Norm dar. Sie verstiessen allerdings gegen das Mediengesetz, da sie kein Impressum aufwiesen. Auch auf der Seite der «Volkstreuen Jugend» ist nicht erkennbar, wer hinter der Gruppierung steckt. Der Sitz der Firma, welche die Seite betreibt, ist laut Impressum in Miami in den USA.
Auf der Seite befindet sich auch ein Link zur «Europäischen Aktion», welche schon im September dieses Jahres für Schlagzeilen sorgte. Damals wurden Flyer für ein sogenanntes Europa-Fest an viele Liechtensteiner Haushalte verteilt. Der Flyer enthielt im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein Impressum und die Urheber konnten von der Polizei als Rechtsextreme und Holocaust-Leugner identifiziert werden. Versuche, in Liechtenstein Räumlichkeiten für das geplante Europa-Fest zu mieten, schlugen allerdings fehl.
Angepasst und unauffällig
Dass sich rechtsextreme Gruppierungen auch im Internet zu Wort melden, ist für Ludwig Frommelt, Vorsitzender der Fachgruppe Rechtsextremismus und Mitarbeiter des Amts für soziale Dienste, typisch. «In Deutschland werden täglich neue Seiten mit rechtsextremistischem Inhalt online geschaltet», sagt er, «dort hat die Sache ganz andere Dimensionen.» Vor einigen Jahren habe es auch in Liechtenstein rechtsextremistische Internetseiten gegeben, danach sei es aber ruhiger geworden.
Rechtsextreme Gruppierungen sind meist auf der Suche nach jugendlichen Anhängern. Diese treten nicht selten vor allem wegen des starken Zugehörigkeitgefühls bei. Ein Anzeichen, dass das eigene Kind mit rechtsradikalen Personen zu tun hat, ist oft die radikale Veränderung des Äusseren. Allein darauf kann man sich aber nicht verlassen: «Die Rechtsextremen von heute sind oft sehr angepasst und eher unauffällig», sagt Frommelt. Sehr kurze Haare, rechtsextreme Zeichen und Marken wie Lonsdale und Fred Perry werden zwar von rechtsextremistischen Personen gerne getragen, oft wechseln die Symbole aber auch so häufig, dass sie nur für Eingeweihte erkennbar sind. «Die Musik ist nach wie vor der Hauptzugang», so Frommelt. Dort werde das gesagt, was man selber nicht zu sagen wage. Ein Blick ins CD-Regal oder den MP3-Player des Kindes kann sich also lohnen.
Betroffenen Eltern rät Frommelt, offen mit dem Thema umzugehen: «Es ist wie mit jeder Erziehungsfrage, man sollte das Kind ansprechen und fragen, was los ist.» Dabei soll man Interesse an den Themen des Jugendlichen zeigen und es nicht vorverurteilen. «Man muss aber klar Position beziehen und Grenzen setzen», fügt er hinzu. Bei vielen Jugendlichen sei die Zugehörigkeit zu rechtsorientierten Gruppen vor allem ein Teil der Jugendkultur, durch die versucht werde, sich von den Eltern zu lösen. Trotzdem darf Rechtsextremismus nicht verharmlost werden. «Wenn man als Eltern nicht weiterkommt, kann man sich Hilfe von aussen holen», so Frommelt. Beispielsweise bei der Fachgruppe Rechtsradikalismus, bei der Schulsozialarbeit oder der Jugendarbeit. «Eben dort, wo man am meisten Vertrauen hat», erklärt Frommelt. Auch im Internet seien viele Tipps zu finden, wie mit dem Thema umgegangen werden kann. Sicher ist: wer die Augen verschliesst, hilft weder dem eigenen Kind noch sich selbst.