Zürcher Polizei ermittelt in Neonazi-Morden

 

NZZ am Sonntag vom 18.12.2011

Kantonspolizei führt Abklärungen für das deutsche Bundeskriminalamt durch

Die Ermittler aus Deutschland interessieren sich vor allem für eine Frage: Wie kam die Tatwaffe aus der Schweiz zu den rechtsextremen Tätern?

 

 

Lukas Häuptli

Mindestens zehn Menschen hatte die rechtsextreme Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zwischen 2000 und 2006 in Deutschland ermordet: acht Türken, einen Griechen und eine Deutsche. Vor eineinhalb Monaten dann, am 4. November 2011, begingen die zwei NSU-Mitglieder und Haupttäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Suizid. Seither hat die deutsche Generalbundesanwaltschaft im Osten Deutschlands die Komplizin Beate Z. sowie vier Männer aus dem NSU-Umfeld verhaftet.

Waffenhändler in der Schweiz

Jetzt ermittelt im Fall auch die Kantonspolizei Zürich. «Im Zusammenhang mit den sogenannten Ceska-Morden in Deutschland hat das Bundeskriminalamt Anfang Dezember 2011 einen Ermittlungsauftrag erteilt», sagt Ulrich Weder, Leitender Staatsanwalt der Zürcher Staatsanwaltschaft für Gewaltdelikte, auf Anfrage. «Die Kantonspolizei Zürich kommt diesem Auftrag nach.» Zum Inhalt des Ermittlungsauftrags macht der Staatsanwalt «aus ermittlungstaktischen Gründen» keine Angaben.

Auch Marcus Köhler, Staatsanwalt bei der deutschen Generalbundesanwaltschaft, äussert sich nicht zum Inhalt des Auftrags. Er sagte aber: «Wir gehen zurzeit der Frage nach, wie die Tatwaffe aus der Schweiz nach Deutschland gelangt ist.» Bei der Waffe handelt es sich um eine Pistole der Marke Ceska. Erwiesen ist, dass diese Anfang der neunziger Jahre von einem Waffenhändler im Kanton Solothurn gekauft worden war. Von dort wurde sie an einen anderen Händler und schliesslich an einen Schweizer mit familiären Verbindungen in den Osten Deutschlands verkauft, wie die «Süddeutsche Zeitung» schrieb.

Womöglich hatte beim Weiterverkauf oder der Weitergabe der Ceska an die deutschen Rechtsextremen der Neonazi Holger G. eine Rolle gespielt. Er wurde am 13. November 2011 von der Generalbundesanwaltschaft festgenommen und soll Aussagen über verschiedene Waffenlieferungen an Mundlos und Böhnhardt machen.

In der Vergangenheit gab es zwischen ostdeutschen Neonazis und Schweizer Rechtsextremen verschiedene Verbindungen. So soll jemand aus dem Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. Ende der neunziger Jahre mindestens ein Telefonat aus einer Telefonkabine in der Schweiz geführt haben. Auch seien die drei auf der Ostseeinsel Fehmarn in einem Auto mit Schweizer Nummer gesehen worden sein, berichteten deutsche Medien. Schliesslich gab es Bekanntschaften von Schweizer Rechtsextremen mit Neonazis aus dem NSU-Umfeld, unter anderem mit Ralf W. Dieser wurde am 29. November 2011 verhaftet.

Fall Grünbaum kein Thema

Fest steht, dass der Ermittlungsauftrag des deutschen Bundeskriminalamts nichts mit dem Fall Abraham Grünbaum zu tun hat. Der Jude war 2001 in Zürich von Unbekannten getötet worden. «Der Auftrag hat keinen Zusammenhang mit diesem Tötungsdelikt», sagt dazu Ulrich Weder von der Zürcher Staatsanwaltschaft. Auch Marcus Köhler von der Generalbundesanwaltschaft erklärt: «Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für Verbindungen zwischen dem Nationalsozialistischen Untergrund und dem Tötungsdelikt an Abraham Grünbaum.» Der «Tages-Anzeiger» hatte gemeldet, deutsche und Schweizer Ermittler würden einen Zusammenhang zwischen den Delikten in den beiden Ländern überprüfen.