Oltner Tagblatt vom 16.12.2011
Asyl-Streit Gemeinderat distanziert sich klar von Angeboten extremer Gruppierungen ·
Pascal Meier
Vor ein paar Tagen haben die Bettwiler dicke Post erhalten. Unter dem Titel «Asylanten sind Okkupanten» gratuliert die Europäische Aktion (EA) den Einwohnern zu ihrem «mutigen Kampf gegen das ‹Asylanten›-Heim». Die EA warnt die Bevölkerung zudem vor «plündernden und mordenden Banden in heilen Schweizer Dörfern» und bezeichnet Asylsuchende als «zivile Truppen einer kommenden Welt-Einheitsregierung».
Das zweiseitige Schreiben trägt keine Absenderadresse, verweist aber auf die Internetseite der Europäischen Aktion – ein braunes Sammelbecken rassistischer und antisemitischer Ideen. «Die EA, angeführt von Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, will Rechtsextreme aller europäischen Länder vereinen», sagt Hans Stutz, Journalist und Experte für Rechtsextremismus. «Ziel ist ein nationalsozialistisches Europa, ausschliesslich für weisse Einwohner.»
Um dieses Ziel zu erreichen, will die noch junge Organisation in jedem Land «Stützpunkte» erreichten, die von einem Gebietsleiter geführt werden. «Man sucht offensichtlich Mitglieder und Sympathisanten an jenen Orten, wo Konflikte mit Ausländern bestehen», sagt Stutz. Deshalb sei es nachvollziehbar, dass die EA die Bettwiler angeschrieben hat.
Gemeinderat distanziert sich
Die Europäische Aktion und deren radikale Umbaupläne für Europa sind in Bettwil jedoch alles andere als willkommen. Sofort in den Papierkorb befördert habe sie diese Propaganda, sagt eine Bettwilerin. Klartext spricht auch Gemeindeammann Wolfgang Schibler: «Wir distanzieren uns von Hilfsangeboten, die ideologisch weit entfernt von unseren Werten sind.» Solche Trittbrettfahrer müsse man ignorieren. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten wollte dazu keine Stellung nehmen.
Der Brief der EA ist in Bettwil nicht der einzige Versuch einer unwillkommenen Einmischung von aussen: Unter den Hunderten Briefen und E-Mails, die der Gemeinderat und das Bürgerkomitee «Probettwil» in ihrem Kampf gegen die Asylunterkunft erhalten, sind nebst unzähliger Angebote von freiwilliger Mithilfe und kostenloser Beratung immer wieder zwielichtige Schreiben. «Wir können uns für euch organisieren und mit 1000 Leuten nach Bettwil kommen», wurde Gemeindeammann Schibler unter anderem bereits angeboten. «Grundsätzlich ist jede Solidarität willkommen», hält Schibler fest. «Wir Bettwiler möchten das Problem jedoch mit den umliegenden Gemeinden durchstehen.»
Dies stösst Sympathisanten aus anderen Kantonen und dem Ausland sauer auf. Unter den über 3000 Mitgliedern der offiziellen Facebook-Seite gegen die Asylunterkunft wird kritisiert, dass Bettwil zwar Solidarität wolle, jedoch Hilfe von aussen ablehne. «Von weiteren Aktionen werde ich mich fernhalten, wenn wir unerwünscht sind», schreibt ein Sympathisant und kritisiert, dass nur Einwohner Bettwils und der Nachbargemeinden zur Solidaritätskundgebung vor zehn Tagen eingeladen wurden. «Probettwil» hält fest, dass «alle mit friedlichen Absichten willkommen waren». Man wolle aber extremen Gruppen keine Plattform bieten.
petition: über 4000 Unterschriften ·
Bettwil erfährt in seinem Widerstand gegen die Asylunterkunft weiterhin eine Welle der Solidarität. Über 4000 Personen haben eine entsprechende Petition des Gemeinderates unterschrieben, wie Tele M1 berichtet. Die Sammelfrist lief gestern Nachmittag ab. «Am Dienstag werden wir nach Aarau fahren und die Unterschriften bei der Staatskanzlei deponieren», sagt Gemeindeammann Wolfgang Schibler.
Gesammelt wurden die Unterschriften auch ausserhalb der Region: Sympathisanten aus der ganzen Schweiz druckten die Formulare aus und warben für das Anliegen der Bettwiler – so unter anderem auch am Rande der SVP-Delegiertenversammlung in Chamblon (VD). Ob die Aktion Bewegung in den Asylstreit bringt, bleibt offen. Die Petition ist nicht rechtsverbindlich. (PI)
«Wir können uns für euch organisieren und kommen mit über 1000 Personen nach Bettwil.»