Der Sonntag vom 27.11.2011
Die Nachricht: Schweizer Neonazis sind enger mit dem Umfeld der Zwickauer Terrorzelle verhängt, als die Behörden wahrhaben wollen.
Der Kommentar: Der Direktor des Nachrichtendienstes übte sich im Pirouettendrehen. Als Markus Seiler am letzten Sonntagabend vor die «Tagesschau»-Kamera stand, sendete er widersprüchliche Signale aus. Eine «direkte Bedrohung für die Schweiz» könne zwar nicht festgestellt werden, aber: «Wir können nicht ganz ausschliessen, dass radikalisierte Einzeltäter oder kleinere Gruppierungen plötzlich etwas planen oder durchführen.»
Der TV-Auftritt war als Beruhigungspille nach den Enthüllungen der Sonntagspresse über die Verbindungen zwischen Schweizer und deutschen Neonazis gedacht. Doch es blieb beim Versuch. Seiler hinterliess mehr Fragen als Antworten, getreu der Floskel: «Nichts Genaues weiss man nicht.» Ein Beispiel: Woher will der Geheimdienstchef wissen, dass die Rechtsextremen keine Gefahr sind, wenn er sich gleichzeitig beklagt, zu wenig Mittel für deren Überwachung zu haben?
Diese Logik geht nicht auf. Den Sicherheitsbehörden aber vorzuwerfen, auf dem rechten Auge blind zu sein, ist populistisch. Genauso, wenn die «Weltwoche» die «künstliche Panik vor dem Rechtsextremismus» geisselt und verharmlosend von einer «überschätzten Gefahr» schreibt.
Ein klarer Blick auf die Faktenlage tut in solchen Fällen gut: Ein Schweizer Neonazi namens Mario Friso tummelte sich im direkten Umfeld der Unterstützer für das Mörder-Trio. Das macht ihn noch nicht zum Beteiligten oder Mitwisser, aber möglicherweise zum wichtigen Zeugen über die braunen Kontakte zwischen Spiez und Zwickau.
Doch vermutlich wissen Szenekenner wie der engagierte Aargauer Heinz Kaiser, der gerne mal belächelt wird, mehr über Friso und Co. als die Nachrichtendienstleute in Bern. Bis gestern wurden jedenfalls weder Kaiser noch Friso von den Schweizer Behörden kontaktiert. Warum eigentlich nicht?