Deutsche Neonazis schossen in der Schweiz

 

SonntagsZeitung vom  27.11.2011

NPD-Mitglieder absolvierten Ende August ein Training in der Umgebung von Luzern

 

Luzern Militante Mitglieder der rechtsradikalen deutschen Partei NPD absolvierten Ende August zusammen mit hiesigen Neonazis ein gemeinsames Schiesstraining in der Schweiz. Das zeigen Dokumente der Autonomen Antifa Freiburg, die der SonntagsZeitung vorliegen. Demnach mieteten die Rechtsextremen am 27. August für 160 Franken ein Schützenhaus in der Umgebung von Luzern.

Ein Teilnehmer aus der Schweiz bestätigte gegenüber der SonntagsZeitung, dass Ende August «rund 20 Kameraden an den Waffen trainierten». Darunter hätten sich mehrere in Deutschland wohnhafte NPD-Exponenten befunden. Weder der Nachrichtendienst des Bundes noch die Luzerner Kantonspolizei wollten zu den Vorkommnissen Stellung nehmen.

Einer der Hauptorganisatoren war der deutsche NPD-Aktivist N. H. Der 22-Jährige zog vor einiger Zeit aus Südbaden in die Schweiz und wohnt heute im Kanton Bern. Das frühere Mitglied der Kameradschaft «Südsturm Baden» gründete kürzlich den «Alemannia Bund» und organisiert regelmässig NPD-Veranstaltungen in Süddeutschland. Pikant: In Deutschland darf H. aufgrund seiner Aktivitäten in der Neonaziszene weder Waffen noch Munition besitzen. Bei der Bundeswehr wurde er nicht aufgenommen.

Wie intensiv die Kontakte von Schweizer Neonazis in den süddeutschen Raum sind, zeigen weitere Fälle. Am 1. Mai dieses Jahres stand Philippe Eglin, ehemaliger Vorsitzender der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) Basel auf der Rednerliste eines Aufmarschs von Rechtsextremen in Heilbronn. Er hielt bereits vor zwei Jahren eine Ansprache während einer Kundgebung in Friedrichshafen.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hatte laut eigenen Angaben keine Kenntnisse der kürzlich stattgefundenen Schiessübungen in der Schweiz. Sprecherin Victoria Krause bestätigt aber: «Deutsche Neonazis sowie NPD-Mitglieder aus dem grenznahen Bereich verfügen über gute Kontakte in die Schweiz.»

Immer klarer wird unterdessen, dass intensive Kontakte von Schweizer Rechtsradikalen auch ins Umfeld der Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) bestanden, die sich auf einer DVD zu mehreren Morden bekannt hat. Dokumentiert sind Beziehungen der Pnos zum Deutschen André Kapke. Dieser wird verdächtigt, als Unterstützer der NSU gewirkt zu haben. Der ehemalige Pnos-Aktivist Mario F. führte 2008 im Internet ein kumpelhaftes Interview mit Kapke.

Ein Drohvideo gegen den Aargauer Neonazi-Experten Heinz Kaiser und weitere Schweizer, das vor fünf Jahren im Internet publiziert wurde, weist laut der Sendung «Schweiz aktuell» in der Machart Ähnlichkeiten mit der Bekenner-DVD der Zwickauer Untergrundzelle auf. Fabian Eberhard, Martin Stoll

Das V-Leute-Debakel in Deutschland

Immer mehr Deutsche fordern ein Verbot der NPD. Jüngsten Umfragen zufolge wollen bis zu 70 Prozent der Befragten, dass der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands ein Ende gesetzt wird.

Die NPD ist durchsetzt mit sogenannten V-Leuten des Staates. Daran ist ein Verbot der Partei schon einmal gescheitert. Die V-Leute («Vertrauensleute») sind in der Wolle gefärbte Neonazis, die als Spitzel des Geheimdienstes fungieren und sich dafür bezahlen lassen. Oft arbeiten die V-Leute sogar an wichtigen Positionen innerhalb der NPD. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies im Jahre 2003 moniert. Man könne die NPD nicht verbieten, wenn wichtige Funktionäre der Partei zugleich für den Staat tätig seien.

Nun werden die Rufe nach einem Ende des V-Leute-Einsatzes im Nazi-Milieu lauter. Ein Grund dafür: Es wurde inzwischen offenbar, dass nicht nur die NPD, sondern auch die gewaltbereite Szene neben der Partei von staatlichen Spitzeln durchsetzt ist. Warnungen vor der kürzlich aufgeflogenen rechtsextremen Terrorbande kamen von ihnen keine. Viele Jahre lang mordeten die Täter unbehelligt. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz könnte nach jüngsten Erkenntnissen verstrickt sein. Die sächsischen Hammerskins waren eine kampfbereite und militante Neonazi-Truppe, die den enttarnten Terroristen vermutlich Waffen und Sprengstoff lieferte. Chef dieser Hammerskins war ein Mann, der auf dem Gehaltszettel des Bundesamts stand. Nicht die einzige Peinlichkeit: Die «Sächsische Zeitung» berichtete am Donnerstag, dass der vom Geheimdienst ausgehaltene Neonazi einen Musikverlag betrieb. Mit den dort produzierten Liedern wurde offen zu Mord und Totschlag aufgerufen. Die Firma bekam Subventionen – vom deutschen Bundesland Sachsen und von der Europäischen Union