Der Sonntag vom 20.11.2011
Erstmals spricht der schweizerisch-tschechische Doppelbürger Jan L.* über den Verkauf der mutmasslichen Tatwaffe
sandro brotz
«Der Sonntag» erreicht Jan L., Direktor einer Waffenfabrik in Prag, am Handy. Er zeigt sich erleichtert, dass die mutmassliche Tatwaffe für die Mordserie in Deutschland gefunden wurde. Sie ging vermutlich in seinem früheren Geschäft in Derendingen SO über den Ladentisch.
Herr L., die von Ihnen importierte Pistole vom Typ Ceska 83 sollbei der deutschen Terror-Zelle aufgetaucht sein. Wie haben Sie davon erfahren?
Jan L.: Ich habe es in einer deutschen Zeitung gelesen und bin sehr glücklich, dass die Polizei die Waffe gefunden hat. Jetzt kann damit kein weiterer Missbrauch betrieben werden. Das macht mich froh.
An wen haben Sie die Waffe damals in Derendingen verkauft?
Ich habe 1993 24 Waffen dieses Typs importiert. Als Generalimporteur habe ich die Pistolen dann an konzessionierte Waffenhändler weiterverkauft. Die Waffen gingen also nicht an Private, sondern an den Fachhandel.
Wie viele Händler waren das?
Rund 15 aus der ganzen Schweiz. Aus Zürich, Basel und der Westschweiz.
Von dort muss die Waffe vom Kaliber 7,65 nach Deutschland gelangt sein. Ihre Erklärung?
Ich vermute, dass ein Fachhändler die Waffe an einen Privaten verkauft hat, von wo sie wiederum nach Deutschland ging. Bis Ende 1998 konnten in der Schweiz Privatpersonen Waffen ohne Rückmeldung an die Polizei und ohne Vertrag verkaufen. Das hat sich 1999 geändert. Aber vorher gab es keine Vorschriften, und diese Privatpersonen konnten machen, was sie wollten. Heute wäre das nicht mehr möglich.
Warum war die Ceska 83 damals gefragt?
Das ist eine ganz einfache Pistole. Wie die Walther PPK. Die Ceska 83 hat einen verlängerten Lauf für einen Schalldämpfer. Sie wurde damals auch von der tschechischen Polizei benutzt. Heute wird sie meines Wissens nicht mehr produziert.
Wie denken Sie darüber, dass Rechtsextreme mit der Waffe eine Mordserie verübt haben?
Es erschreckt mich, was mit dieser Pistole gemacht wurde. Diese Morde bewegen und berühren mich sehr, auch als Vater von vier Kindern. Das ist eine Katastrophe, eine menschliche Tragödie. Leider ist es geschehen und kann nicht rückgängig gemacht werden. Kein Mensch mit Verstand macht so etwas. Mein Grossvater hat noch selbst gegen die Nazis gekämpft! Dieses Pack!
Jetzt wird in diesem Zusammenhang ihr Name genannt.
Das tut weh. Ich habe damit doch nichts zu tun! Ich habe mit der Polizei in der Schweiz und Deutschland kooperiert. Meine Waffenbücher und die Rechnungen liegen noch immer bei der Polizei.
Wer Waffen verkauft, nimmt in Kauf, dass mit ihnen auch getötet wird.
Sie werden aber auch im Sport eingesetzt und erfüllen Sammlerzwecke.
Warum sind Sie von Derendingen nach Prag gezogen?
Aus privaten Gründen. Aber die Schweiz bleibt meine Heimat. Ich bin alle zwei Monate hier, zuletzt vor 10 Tagen. Sei es, um Bekannte zu treffen oder Ferien zu machen.