Sonntagsblick vom 20.11.2011
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Wie gefährlich sind die Neonazis in der Schweiz, die zunehmend im Geheimen arbeiten? Der Nachrichtendienst- Vizechef Jürg Bühler nimmt Stellung.
Herr Bühler, in der Schweiz sind die Zwischenfälle mit Rechtsextremen zurückgegangen. Weshalb?
Jürg Bühler:Das können wir noch nicht sagen. Eventuell ist die Zahl der Anhänger rechtsextremer Gruppierungen generell gesunken, oder sie wurden durch scharfe Urteile in der Vergangenheit zurückhaltender.
In Ihrem Jahresbericht heisst es, dass rechtsextreme Veranstaltungen zunehmend im Geheimen stattfinden. Bekommen Sie die Zwischenfälle einfach nicht mit?
Es kommt darauf an, welcher Art diese Zwischenfälle sind. Ereignisse, die Gewalt beinhalten, landen mit Sicherheit in der Statistik. Bei anderen Vorfällen kann es sein, dass sie nicht registriert werden.
Ist das gefährlich?
Tatsächlich können lokal Sicherheitslücken entstehen. Von gewissen Treffen von Rechtsextremisten erfahren wir erst im Nachhinein.
Möglicherweise zu spät!
Natürlich ist das nicht optimal. Aber wir sind an strikte Vorschriften gebunden. Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit legt genau fest, welche Methode wir anwenden dürfen und welche nicht.
Welche Methoden stehen Ihnen zum Ermitteln zur Verfügung?
Unsere Möglichkeiten sind stark begrenzt. Laut dem Gesetz dürfen wir nur öffentlich zugängliche Quellen auswerten, Auskünfte und amtliche Akten einholen, Beobachtungen an öffentlichen Orten durchführen.
Können Sie, wie in Deutschland, Verbindungsleute einsetzen?
Von uns aus schleusen wir keine Informanten ein. Aber wir haben in Extremistenkreisen Kontaktpersonen, die uns mit Informationen versorgen. Diese arbeiten aber auf völlig freiwilliger Basis.
Dürfen Sie Telefone abhören?
Nein. Das würde in den privaten Raum der Beteiligten eindringen, was das Gesetz strikt verbietet.
Auch nicht bei einem konkreten schweren Tatverdacht?
Auch dann nicht. Liegt ein solcher vor, muss die Strafverfolgungsbehörde, also die Staatsanwaltschaft, Massnahmen erlassen, um die betreffende Person in den Griff zu bekommen. Der Nachrichtendienst hingegen arbeitet präventiv. Wir versuchen, Gefahren im Voraus zu erkennen, um so Probleme zu verhindern.
Reicht das, um im Verborgenen agierende rechtsradikale Extremisten zu entlarven?
Wir sind manchmal schon ein bisschen ohnmächtig. Oft wüssten wir zwar, bei wem wir ansetzen müssen – dürfen das aber nicht, weil es das Gesetz verbietet.
Dann ist ein Fall wie jener von Deutschland auch hier möglich?
Die Situation in der Schweiz kann nicht mit Deutschland verglichen werden. Der Rechtsextremismus in Deutschland hat eine andere Qualität, die Mitglieder sind dort viel gewaltbereiter als bei uns.
Eine Waffe des deutschen Mörder- Trios stammt von hier. Wie beurteilen Sie diese Verbindung?
Was genau es mit dieser Waffe auf sich hat, weiss ich noch nicht. Nach unserem Erkenntnisstand hatte die Gruppierung aber keine personellen Verbindungen in die Schweiz.
Wie hoch ist hier das Risiko eines Neonazi-Anschlags?
Zu lokalen Zwischenfällen kann es immer kommen, das ist nicht kontrollierbar. Die innere Sicherheit ist im Moment aber nicht bedroht durch Rechtsextremisten.