Sonntagsblick vom 20.11.2011; Seite a6
Schweizer im Dunstkreis der Killer-Nazis
VON ANN GUENTER UND ROLAND GAMP
Schweizer Rechtsextreme pflegen beste Kontakte zur Thüringer Szene, von wo aus die deutschen Killer-Nazis ihr Terror-Netzwerk aufbauten. Die Geschichte des Killer-Nazi-Trios aus dem deutschen Zwickau erschüttert Europa. Jahrelang agierten die Mitglieder des «Thüringer Heimatschutzes» in einer Terrorgruppe im Untergrund, töteten neun Ausländer, begingen Banküberfälle. Wie SonntagsBlick herausfand, führt die braune Spur auch in die Schweiz. Mitglieder der rechtsextremen Partei Pnos standen in regem Kontakt mit Anführern des «Heimatschutzes». Ein Foto beweist, wie eng der Kontakt war. Zu sehen ist der Spiezer Mario F.* (28), ehemaliger Pressesprecher der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) und Vorsitzender der Pnos Berner Oberland. Fotografieren liess er sich mit Thomas Gerlach und Peter Klose. Die beiden Deutschen sind bekannte Nazi-Grössen.Gerlach ist eine führende Figur beim Thüringer Heimatschutz». Er soll Solidaritätskonzerte für das lange untergetauchte Killer-Trio organisiert haben. Klose war Landtagsabgeordneter der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und ist Zwickauer Stadtrat. Er geriet ins Visier der Ermittler – auch weil er sich auf Facebook bis vor kurzem «Paul Panther» nannte. Auch das Killer-Trio hat die rosarote Zeichentrick-Figur für sein Bekennervideo verwendet. Das Bild der drei Neonazis entstand 2008 am «Zweiten Nationalen Gesprächskreis». Thomas Gerlach lud den Schweizer Mario F. nach Zwickau (D) ein, nachdem dieser 2006 am Parteitag der Pnos in Wauwil LU zu Gast gewesen war. Mario F. trat als Redner auf. «Er gewährte uns einen weiterführenden Einblick ins Schweizerische», heisst es in einem einschlägigen Forum über den Auftritt des Berner Oberländers. Als Erinnerung übergab Mario F. dem NPD-Mann Klose eine Pnos-Fahne. Mario F. gehörte zu den militantesten Rechtsextremisten der Schweiz. Noch im Jahr 2008 sagte er: «Unser Kampf ist nicht etwa eine Spielwiese für ‹Möchtegerns› und ‹Konsumenten›, sondern bitterer Ernst, der bis ans bittere Ende geführt werden muss.» Seine Nazi- Freundschaft zu Thomas Gerlach besteht bis heute. Dazu Stellung nehmen will er gegenüber SonntagsBlick nicht.Mario F. ist nicht das einzige Pnos-Mitglied, das Beziehungen zum Thüringer Heimatschutz pflegt. Auch der Aargauer Pascal Trost (30), der 2003 für den Nationalrat kandidierte, tummelt sich im Dunstkreis der Killer-Nazis.Trost trat 2009 am «Fest der Völker», einem jährlichen Treff für militante Neonazis, in Thüringen auf – als Redner. Er bezeichnete sich als «Vertreter des schweizerischen Widerstands». Trost beschwerte sich über den «in der westlichen Welt vorherrschenden Liberalismus».Die Organisatoren des Festes der Völker in Pössneck (D) sind André Kapke und Ralf Wohlleben (beide 36). Sie sind Mitbegründer des Thüringer Heimatschutzes, haben seit den 90er-Jahren Kontakt zum Killer-Trio. Auch sie stehen unter Verdacht, die drei Nazis bei ihren Verbrechen unterstützt zu haben.Pascal Trost bestätigt auf Anfrage seine Teilnahme am Fest der Völker, behauptet aber, André Kapke und Ralf Wohlleben nie getroffen zu haben. «Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer mich als Redner eingeladen hat», sagt Trost. Dass die beiden Komplizen des Killer-Trios sein sollen, überrasche ihn aber. «Dass sie alle unter einer Decke stecken, hätte ich nicht für möglich gehalten», sagt er. An seiner Rede halte er trotzdem fest. Allerdings wurde das Youtube-Video seines Auftritts kurz nach dem Anruf von SonntagsBlick gelöscht. «Diese Verbindungen sind ärgerlich und werfen ein schlechtes Licht auf die Pnos», sagt Pnos-Sprecher Dominic Lüthard. «Diese Morde sind zu verurteilen, wir distanzieren uns klar davon.» Trotzdem: Auch die Pnos selber scheint mit der Terrorzelle in Thüringen vernetzt zu sein. Dieses Jahr lud die Partei Axel Reitz als Redner an ihren Parteitag ein. Reitz, der «auf dieser Erde allein an Adolf Hitler» glaubt, ist ebenfalls gut bekannt mit der Thüringer Rechtsextremen- Szene.
DER FALL
Über zehn Jahre lang gaben die sogenannten Döner-Morde in Deutschland Rätsel auf. Acht Türken und ein Grieche wurden seit 2000 erschossen, von den Tätern fehlte jede Spur. Bis zum 4. November 2011: Zur Aufklärung eines Bankraubs will die Polizei ein Wohnmobil überprüfen. Als sich die Beamten nähern, explodiert das Fahrzeug. Im Wagen: Uwe Mundlos (†38) und Uwe Böhnhardt (†34). Beide haben sich kurz vor der Detonation selbst gerichtet. Neben den Leichen findet die Polizei die Tatwaffe aller neun Döner-Morde. Damit steht fest: Mundlos und Böhnhardt haben die Morde begangen, zusammen mit Beate Zschäpe (36), die sich wenig später stellt. Das Killer-Trio ist bekannt, es handelt sich um militante Neonazis des berüchtigten «Thüringer Heimatschutzes». Nachdem ihre Wohnung 1998 als Sprengstofflager enttarnt worden war, tauchten die Terroristen unter und agierten aus dem Untergrund der Neonazi-Szene. Nebst den Döner-Morden werden ihnen die Tötung zweier Polizistinnen, ein Bombenattentat und Banküberfälle angelastet.