www.sf.tv vom 20.11.2011
Auch die Schweizer Neonazi-Szene ist mit der rechtsextremen Zelle Zwickau in Ostdeutschland verbandelt. Der Schweizer Nachrichtendienst steht nun in der Kritik, die rechte Szene in der Schweiz falsch einzuschätzen.
sf/schubeca
Der Schweizer Neonazi Mario Friso besuchte Ende Oktober 2008 die rechte Szene in Zwickau. Dies berichtet «Der Sonntag». Friso war Vorsitzender der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), Sektion Berner Oberland.
Von der rechtsextremen Nationaldemokratischer Partei Deutschlands (NPD) in Zwickau referierte der Spiezer über «die Wichtigkeit eines europäischen Kampfes gegen Imperialismus und Kapitalismus».
Rechtsradikaler Austausch mit Deutschland
Ein Foto zeigt Friso mit den zwei bekannten Neonazis Thomas Gerlach und Peter Klose. Von deutschen Medien werden sie dem Umfeld der rechten Terrorzelle zugerechnet. Gerlach gilt als Schlüsselfigur der Rechtsextremisten in Zwickau und stammt aus Thüringen – wie das Mörder-Trio. Friso war Pressesprecher und Vorsitzender der Pnos. Heute sei er nicht mehr Partei-Mitglied, so Pnos-Präsident Dominic Lüthard. Zudem müssten Mitglieder «selber wissen, wo sie hingehen». 2009 war Mario Friso während Recherchen der «Rundschau» vom Schweizer Fernsehen von seinem Amt als Vorsitzender der Pnos zurückgetreten. Der Ausstauch zwischen rechtsextremen Gruppen zischen der Schweiz und Deutschland ist rege: So ist auch die NPD ein gerngesehener Gast in der Schweiz, zuletzt eingeladen von Pnos-Chef Lüthard. Am Pnos-Parteitag am 9. Oktober 2001 im Kanton Luzern präsentierte er stolz Axel Reitz als Redner. NPD-Mitglied Reitz ist mehrfach verurteilt, unter anderem wegen Volksverhetzung und Verwendung von Nazisymbolen.
«Entschieden Invasoren entgegentreten»
Das Pnos-Video über den Parteitag ist im Internet abrufbar, untermalt mit romantischer Musik. In dem Video wird unter anderem die «kulturelle Verwässerung in der Schweiz» angeprangert. In seiner Rede doppelt Reitz nach: «Niemand kann Glück erlangen, wenn unser Volk stirbt.» Und dieser «Kulturtod» sei geplant und werde ausgeführt, so Reitz. Er schlägt vor, einen Blick in die Annalen der Geschichte zu werfen und sich anzuschauen, wie viele Völker ruhmlos aus der Geschichte ausgetreten seien, weil sie nicht bereit gewesen seien, den Invasoren mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten. «Es kann durchaus sein, dass in 20, 30, 40, 50 Jahren nur noch in den Geschichtsbüchern von Deutschland und der Schweiz gesprochen wird.»
Rechte Szene steht kaum unter Beobachtung
Laut «Der Sonntag» geht der Schweizer Nachrichtendienst in seinem Jahresbericht 2010 nicht auf die engen Kontakte zwischen Rechtsextremen in beiden Ländern ein.
Auch die «Sonntagszeitung» wirft dem Nachrichtendienst vor, beim Rechtsextremismus nicht genau hinzuschauen. Die Zeitung zieht diesen Schluss auf Grund der streng geheimen «Liste der zu beobachtenden Organisationen und Gruppierungen 2011». Diese Liste umfasse 23 Organisationen. Dem Rechtsradikalismus werde darin aber kaum Platz eingeräumt. In dem zwanzigseitigen Dokument sei lediglich auf 19 Zeilen die Rede von der rechten Szene. Die Liste widme sich dem islamischen Fundamentalismus, vor allem aber dem Linksextremismus in der Schweiz.Die Staatsschützer stellen in dem Dokument selber fest, dass sie Mühe haben die rechte Szene adäquat zu beobachten. Denn diese gehe vermehrt konspirativ vor.
Zweifel an Fähigkeiten des Nachrichtendienstes
Der grüne Nationalrat und Nachrichtendienst-Spezialist Daniel Vischer ortet «offensichtliche Mängel des Nachrichtendienstes im Umgang mit dem Rechtsextremismus». Vischer «zweifelt am Willen und der Fähigkeit des Nachrichtendienstes des Bundes, die extreme Rechte wirkungsvoll zu überwachen», wird er zitiert.Auch der Präsident der Antirassismus-Kommission, Georg Kreis, sagt: «Die Rechte wird offensichtlich defizitär beobachtet.»