Thurgauer Zeitung vom 24.10.2011
BRENDA ZUCKSCHWERDT
Das Fitnesscenter Body Power Fitness Gym in Rickenbach stellt Schlägeropfer Dominik Bein kostenlos einen Personaltrainer zur Verfügung. Für den jungen Mann ist das ein Lichtblick – denn die meisten Therapien hat die Krankenkasse inzwischen gestrichen.
RICKENBACH. «So ein junger Bursche will nicht nur spazieren.» Rosmarie Bein blick hinüber zu ihrem Sohn Dominik, der gerade Gewichte stemmt – und dabei strahlt. «Wenn ihr alle herschaut, trainiert er gleich noch mehr», sagt Personaltrainer Freddy Spiess.
Er müsse Dominik stets bremsen, sagt er, und darauf achten, dass er auch seine linke Seite trainiere. Denn die war lange Zeit gelähmt, nachdem ihn junge Männer vor acht Jahren lebensgefährlich verprügelt hatten. Es folgten Aufenthalte in Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Therapien. Geblieben sind unter anderem massive Sprach- und Orientierungsschwierigkeiten sowie ein mangelndes Kurzzeitgedächtnis.
Hinzu kommen finanzielle Probleme. Denn die Täter können nicht behaftet werden. Das kann Rosmarie Bein nicht verstehen. Einmal habe sie von einem Anwalt einen Brief bekommen – sein Klient, einer der Täter, könne höchstens 100 Franken pro Monat zahlen. «Ich war so wütend, ich hab diesen Brief gleich zerrissen», sagt sie. So erhält der heute 23jährige Dominik lediglich eine IV-Rente von 1400 Franken. Seit sich Dominik Beins Zustand stabilisiert hat, werden nun alle Therapien von der Krankenkasse nach und nach gestrichen. Erst die Physiotherapie, dann die Hippotherapie, schliesslich die Logopädie. Ende Jahr wird auch die Ergotherapie zu Ende sein. «Hätte sich Dominik die Hirnverletzung bei einem Unfall zugezogen, wären die Kosten gedeckt», sagt seine Mutter.
120 Franken für den Trainer
Damit er trotzdem etwas für seinen Körper tun kann, kaufte ihm seine Mutter im April ein Schnupperabo im Fitnesscenter. Doch auf sich selbst gestellt, trainierte Dominik Bein einseitig, stärkte seine rechte Körperseite immer mehr, es ging ihm nicht gut. Das bemerkte man auch im Fitnesscenter und schlug deshalb vor, Dominik einen Personaltrainer zuzuteilen. Der kostet aber 120 Franken in der Stunde – «so viel Geld haben wir einfach nicht», sagt Rosmarie Bein.
Geschäftsleiter Roger Tanner hatte ein Einsehen und machte Dominik ein Angebot: Er stellt ihm kostenlos einen Personaltrainer zur Verfügung, Dominik muss einfach zu Zeiten kommen, in denen nicht viel los ist. «Denn wir haben gesehen, wie viel Spass Dominik beim Training hat», sagt Roger Tanner. Zwei- bis dreimal pro Woche trainiert er nun mit Personaltrainer Freddy Spiess. «Freddy hatte von Anfang an einen guten Draht zu ihm – und unendlich viel Geduld», sagt Rosmarie Bein.
Kaum Chancen auf eine Stelle
Die braucht es im Umgang mit Dominik Bein, denn egal, was er tut, er macht es in Zeitlupentempo. Das erschwere es auch, für ihn eine Stelle zu finden. «In der freien Wirtschaft hat heute niemand mehr Zeit.» Eine Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt sei keine Alternative, sagt seine Mutter, denn ihr Sohn sei geistig voll da. «Müsste er den ganzen Tag irgendwo Filzlis aufkleben, er würde kaputtgehen.»
Sport macht er gerne
Freddy Spiess hat die Gewichte am Trainingsapparat auf 33 Kilo erhöht. Zu wenig, wie Dominik Bein findet. Die beiden lachen. Rosmarie Bein sieht es und lächelt. Auch wenn Gedächtnis und Sprachfähigkeiten beim Krafttraining nicht geschult würden, so sei es doch ein Lichtblick in Dominik Beins Alltag. Hier habe er Kontakt mit Menschen und könne seinen Körper trainieren. «Dominik hat schon früher immer gerne Sport gemacht.»
Dominik Bein trainiert gerne im Fitnesscenter Body Power, sein Personaltrainer Freddy Spiess achtet dabei auf das richtige Mass.
Es geschah vor acht Jahren
Im April 2003 wurde der damals 15jährige Dominik Bein in Frauenfeld von sechs jungen rechtsextremen Männern aufs Brutalste verprügelt und lebensgefährlich verletzt. Inzwischen hat sich sein Zustand zwar stabilisiert – er wird aber lebenslang unter den Folgen des Überfalls leiden. Sechs der Täter wurden wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung zu Strafen zwischen fünf und sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Der siebte Schläger nahm sich in der U-Haft das Leben. (bz)