Liechtensteiner Vaterland vom 03.10.2011
Vom Patriotismus und Nationalismus bis zum Rechtsextremismus ist es manchmal nur ein kleiner Schritt, aber Patriotismus hat nicht zwangsläufig damit zu tun. Heisse Diskussionen gab es nach einem Vortrag in Balzers.
Von Henning v. Vogelsang
Miryam Eser Davolio vom Institut für Sozialplanung und Stadtentwicklung, Basel, referierte am Freitagabend im Haus Gutenberg, Balzers, über das Thema «Rechtsextremismus in Liechtenstein». Grundlage war eine qualitative Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Soziale Arbeit, zu Hintergründen und Herangehensweisen, die im Auftrag der Gewaltschutzkommission der Fürstlichen Regierung erstellt und vor zwei Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Autoren waren Miryam Eser Davolio und Prof. Matthias Drilling. Diese Studie zu Rechtsextremismus in Liechtenstein fokussiert sowohl auf den gesellschaftlichen Kontext, der zu rechtsextremistisch motivierten Haltungen und Handlungen führt, als auch auf die Beweggru¨nde und Motivationen von rechtsextremistischen jungen Menschen.
Keine Insel der Liberalität
Klar gezeigt hat sich, dass in Liechtenstein der Rechtsextremismus hoch ist, höher noch als in den umliegenden Ländern, in Relation zur Bevölkerungszahl selbstredend. Die Referentin legte in ihrem 45-minütigen Vortrag dar, wie man die Studienergebnisse ermittelt hatte und welche Schlüsse man daraus ziehen kann. Sie schilderte auch die Schwierigkeiten, aus der rechtsextremen Szene, die sich Interviews dazu weitgehend geschlossen verweigerte, auswertbare Daten zu erhalten. Lehrreich war der Vortrag, zu dem der Stefanuskreis Liechtenstein und das Bildungshaus Gutenberg gemeinsam eingeladen hatten, für alle der eher kleinen Zuhörerschaft; ob alle daraus auch die richtigen Schlüsse zogen, sei dahingestellt.
Fakten gegen Meinungen
Entgegen weit verbreiteter Ansicht stammen wirkliche, gewaltbereite Rechtsextremisten eher weniger aus sozial beziehungsweise wirtschaftlich schwachen Kreisen als vielmehr meist aus dem Mittelstand. Recht breit gefächert ist auch das Spektrum der rechten Szene selbst mit all ihren Schattierungen und Verzweigungen, aber auch Vernetzungen. Zur Sprache kamen verschiedene Ausdrucksformen dieser Einstellung, zu ziehende Grenzen gegen Verallgemeinerungen, Unterschiede zu anderen Ländern oder auch die durch die Medien und Politiker mehr oder weniger stark he-rausgearbeiteten Vorfälle, in denen rechtsextreme Personen an Provokationen, gesetzeswidrigen Handlungen oder Gewalttaten wie Schlägereien beteiligt waren. Konkrete Personendaten besitzt nur die Polizei, der Rest ist offenbar eine Art Grauzone, die Spekulationen, Verdächtigungen, Beschuldigungen aber auch Verdrängungen, Vertuschungen und Mangel an Zivilcourage sowie Eigennutz Raum bietet.
Lebhafte Diskussion
Dies war auch der Punkt, der in der anschliessenden regen Diskussion den meisten Raum einnahm und einige Gemüter etwas in Wallung brachte: sich angesprochen beziehungsweise zu Unrecht verdächtigt Fühlende, Sympathisanten mit ihnen oder sich über diese aufregende Zuhörerinnen und Zuhörer brachten sich in die Diskussion ein. Zwar gab es anscheinend einen weitgehenden Konsens über das Unerwünschte, offen bleiben musste zwangsläufig die Frage, wie man das Problem gesellschaftspolitisch angehen soll. Das allerdings erstaunte dann doch weniger angesichts der sichtlich unterschiedlichen Zusammensetzung des Publikums, das den per se interessanten Vortrag auch auf der Diskussionsebene lebhaft gestaltete.