Berner Zeitung von 08.08.2011
Kallnach · Dieses Wochenende fand in Niederried an der Aare ein Konzert mit mehreren deutschen Rockbands statt. Offenbar haben sich auch Personen aus der rechten Szene getroffen.
Am Samstag gegen Abend herrscht in Niederried hinter der Umzäunung bereits ein reges Treiben. Die Nummern der Autos verraten, dass hier Besucher aus allen Teilen der Schweiz sowie aus Deutschland, Frankreich und Österreich zugegen sind. Und noch etwas fällt auf: Auf Kleidungsstücken von Konzertbesuchern, davon etliche glatzköpfig, sind eindeutige Symbole wiedererkennbar, die auf Anhänger aus der rechten Szene schliessen lassen. Symbole, welche sich nicht zuletzt im Extremismusbericht des Bundesamtes für Polizei wiederfinden.
Wie das «Bieler Tagblatt» in seiner heutigen Ausgabe berichtet, schrien mehrere deutsche Rockbands ihre Liedtexte sowohl am Freitag als auch am Samstag derart laut in die Nacht hinaus, dass diese bis nach Aarberg und Seedorf zu vernehmen waren. Aufgetreten sind insgesamt sieben deutsche Bands mit Namen wie Berserker, Kneipenterroristen oder Krawallbrüder.
Veranstaltung bewilligt
«Wir hatten Kenntnis vom Anlass», so Nicolas Kessler, Mediensprecher der Kantonspolizei Bern. Es habe sich jedoch um eine bewilligte Veranstaltung gehandelt. Regierungsstatthalter Gerhard Burri bestätigte, dass es im Vorfeld aufgrund einer der Bands eine Erkundigung bei der Kantonspolizei Bern gegeben habe. «Wir haben den Veranstalter darauf aufmerksam gemacht, dass er bei einer dieser Bands Probleme bekommen könnte», so Burri. Schliesslich sei das Statthalteramt aber lediglich für das Ausstellen der Wirtebewilligung zuständig.
Niederrieds Gemeindepräsident Beat Stauffer war sowohl am Freitag als auch am Samstag in der Nacht persönlich vor Ort. Der Anlass sei durch den Gemeinderat Niederried bewilligt worden, «weil dieser bereits im letzten Jahr ohne Probleme durchgeführt wurde», so Stauffer. «Ja, es hatte zum Teil schon Kahlrasierte vor Ort», bestätigt er. «Es hatte aber auch Langhaarige und Punks dort.» Und: «Diese haben zwar wirklich harte Texte gesungen, einige davon haben aber auch auf Missstände wie das Thema Kinderschänderei aufmerksam gemacht.» Dies waren für das Bundesamt für Polizei laut Extremismusbericht bereits vor Jahren Hinweise über das neue Bewusstsein der Szene: «Rechtsextreme treten heute selbstbewusster auf», heisst es dort. Sie würden ihr Engagement nicht auf die Ausländerproblematik beschränken, sondern auch «Kindesmissbrauch oder die Globalisierung» thematisieren.
Begleiten und beobachten
Das Verbieten von Veranstaltungen der rechtsradikalen Szene würde aber nach Ansicht des Nachrichtendienstes oder des kantonalen Polizeikorps lediglich dazu führen, dass sich die Kreise in den Untergrund begeben würden. Daher scheint den staatlichen Stellen der Weg des Begleitens und Beobachtens erfolgversprechender zu sein. Zur Frage, ob beim Nachrichtendienst der Kapo Bern zum Anlass in Niederried entsprechende Abklärungen getätigt worden seien, konnte oder wollte Mediensprecher Nicolas Kessler keinen Kommentar abgeben.