Ist die Rütlikommission unglaubwürdig?

Neue Luzerner Zeitung vom 17.06.2011

Leserbriefe in der Neue Zuger Zeitung zum Artikel «Uri fürchtet Rütli-Missbrauch», Ausgabe vom 7. April

Ein Redaktor dieser Zeitung schreibt: Erst dank einem Ticketsystem und einem rigorosen Polizeiaufgebot sei es 2006 gelungen, den «braunen Mob» von der historischen Rütliwiese fernzuhalten. Dies ist unzutreffend. Die Rechtsextremen können zwar nicht mehr am 1. August auf das Rütli, jedoch haben sie in den vergangenen Jahren jeweils am darauffolgenden Sonntag ihre eigene «Rütlifeier» veranstaltet. Nach öffentlicher Ankündigung durch die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) und ungehindert von der Rütlikommission trafen sich jeweils 150 bis 250 Rechtsextreme. Der Rütlikommission-Sprecher hat jeweils verlauten lassen, dass es der Kommission gar nicht möglich sei, Sanktionen anzustreben, da die Wiese ein öffentlicher Ort sei. Fazit: Die Rütlikommission hat die Glaubwürdigkeit verloren, zuerst wegen Rechtsextremisten, nun wegen der Rechtsaussen-Bundesratspartei. Klar ist auch, dass die Pnos sich durch die SVP-Aktion bestätigt sieht.

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne, Luzern

 

Nein, Frau Glanzmann, Parteiversammlungen gehören nicht aufs Rütli. Das «stille Gelände am See» gehört dem Schweizer Volk und nicht dem Parteivolk. Es gibt in Bern zurzeit wahrlich wichtigere Probleme zu diskutieren. Wie es bei einer Bewilligung zugehen könnte, kann man sich nach der verbotenen SVP-Tagung leicht vorstellen. Auf keinen Fall möchte ich die «heilige» Wiese betreten, wenn Blocher seine Schmähreden hält. Die Rütliwiese gehört dem Schweizer Volk, und Parteiparolen gehören nicht auf diesen Platz. Übrigens hat Frau Glanzmann der SVP einen schönen Steilpass zugespielt. Die Provokateure können sich nun zurücklehnen und argumentieren: Warum sollten wir uns entschuldigen, die Sache wird ja nun sowieso in Bern diskutiert? Auch die Parteilosen sind Schweizer (nach SVP-Lesart allerdings nur auf dem Papier). Aber vielleicht sollte man eine Partei der Parteilosen gründen, damit das ganze Volk die Wiege der Schweiz rein halten kann. Aus Liebe zum Rütli und – obwohl es allmählich abgedroschen klingt – aus Liebe zur Schweiz.

Johann H. Engeler, Uster

 

Offenbar regen sich SVP-nahe Kreise fürchterlich über die Kritik auf, welche nach der illegalen Versammlung auf dem Rütli entstanden ist. Nebenbei soll auch das Benützungsreglement ein fertiger Mist sein. Wer sich jetzt ärgert, sollte bedenken: Glücklicherweise leben wir in einem freien, einigermassen rechtssicheren Land. Nur selten werden hierzulande Gesetze, Verordnungen und Vorschriften grundlos erlassen. Und wer über die Nasenspitze hinausdenkt, kann sich erinnern, welcher politischen Couleur die Randale anlässlich der 1.-August-Feiern 2005 war. Frech ist nicht, dass die Rütlikommission diese Regeln aufgestellt hat und durchsetzen will. Frech ist die Annahme, dass diese Regeln für einige nicht gelten sollen. Aber auch die gegenteilige Aufregung kann ich nur schlecht nachvollziehen. Ueli Maurer hat noch im Mai 2007 das gelobte Rütli als «bloss eine Wiese mit Kuhdreck» bezeichnet. Lassen wir ihm doch diese Wiese als Verbreitungsort seiner Meinungen und Grundsätze. Ob es die Meinung der Mehrheit der richtigen Schweizer ist, wird sich weisen.

Roland Weingartner, Baldegg

 

Die SVP Schweiz hat mit Parteiexponenten eine nichtöffentliche Reise aufs Rütli unternommen. Dabei haben unter anderem die Innerschweizer Sektionen eine Rütlierklärung abgegeben, bei der sie den Freiheitswillen der Schweiz bekräftigte. Nun soll sich die Partei bei der Verwalterin der Rütliwiese, der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), dafür entschuldigen, da dafür eine Bewilligung nötig gewesen wäre. Drehen wir die Zeit um 720 Jahre zurück. Damals war das Rütli Herrschaftsgebiet der Habsburger. Hätten die alten Eidgenossen und Gründungsväter unseres Landes für den Rütlischwur eine Bewilligung einholen sollen? Pirmin Müller, Präsident SVP Stadt Luzern, Luzern

Jeweils einen Tag vor der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz tagt der Zentralvorstand. Um den Mitgliedern den zweitägigen Aufenthalt etwas angenehmer zu gestalten, lädt der gastgebende Kanton jeweils zu einem «Nebenprogramm» und einem Nachtessen ein. Im Januar lud der Kanton Luzern nach Perlen ein. Diesmal wählte der Organisator das Rütli aus, weil die offizielle Sitzung in Brunnen stattfand.

Das Nebenprogramm ist jedes Mal eine Überraschung, wird also den Teilnehmern nie zum Voraus bekannt gegeben. So auch diesmal. Erst beim Besteigen des Kursschiffes wurde der zirka 50-köpfigen Reisegruppe klar, wohin der Ausflug gehen sollte. Vorher wusste ausser den Organisatoren niemand Bescheid, auch Bundesrat Ueli Maurer nicht. Dass plötzlich Presseleute auf dem Schiff auftauchten, hat erstaunt. Woher sie tags zuvor den Tipp erhalten hatten, wollte mir weder der Journalist noch der Fotograf verraten.

Dass nun anderntags der Besuch der Rütliwiese durch Gleichgesinnte eine halbe Staatskrise ausgelöst hat, wirft bei mir einige Fragen auf. Gemäss meinem Wissensstand gehört die Rütliwiese der Schweizerischen Eidgenossenschaft, also «dir und mir». Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft ist von der Eidgenossenschaft bloss als Verwalterin eingesetzt worden. Dass die Verwalterin die Rütliwiese vor Chaoten jeglicher Herkunft schützt, gehört zu ihren Aufgaben. Dass sie aber letztlich festhält, wer von den friedlichen Bürgern «sein Eigentum» noch betreten darf, geht eindeutig zu weit. Entweder weist die Eidgenossenschaft diese Gesellschaft in die Schranken, oder dann entzieht sie ihr das Mandat. Das von der Verwalterin in Eigenregie aufgestelle Benützungsreglement ist per sofort in diesem Sinne zu ändern. Denn wer das Rütli betreten darf, bestimmen nicht plötzlich ein paar «gnädige Damen und Herren». Denn letztlich hat man 1291 auf dieser Wiese beschlossen, sich von dieser Knechtschaft zu befreien.

Oscar Blaser, Mitglied des Zentralvorstandes der SVP Schweiz, Littau

 

Das widersprüchliche Verhalten der SVP wurde dieser Tage auf der Titelseite dieser Zeitung einmal mehr verdeutlicht. Die SVP beansprucht für sich, als einzige Partei die Werte der Schweiz hochzuhalten. Komisch nur, dass sich die SVP inklusive Ueli Maurer dafür über die Hausordnung der Rütliwiese hinwegsetzt und eine Veranstaltung auf dem Rütli organisiert – obschon Versammlungen auf dem Rütli verboten sind. Offenbar muss, wer ein guter Schweizer sein will, gegen die hiesigen Regeln verstossen. Der Hausfriedensbruch scheint in den Augen der SVP wohl eine Schweizer Tugend zu sein. Ich frage mich: Kann eine Partei, die mutwillig gegen Gesetz und Vorschrift verstösst, für sich in Anspruch nehmen, für die Schweiz zu stehen? Für mich ist die Antwort klar: Nein. Dieser Hausfriedensbruch ist aufs Schärfste zu verurteilen. Es scheint einmal mehr, dass die SVP hier nach dem Motto «Alle sind gleich, einige sind gleicher» denkt und handelt.

Marco Uhlmann, Hochdorf