NZZ am Sonntag vom 02.01.2011
Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker rede wie Adolf Hitler vor 70 Jahren, sagt alt SVP-Bundesrat Blocher.
Francesco Benini, Markus Häfliger
«So hat Hitler geredet», sagt Christoph Blocher in der jüngsten Ausgabe seines Internet-Fernsehens Teleblocher über Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Der SVP-Vizepräsident begründet seinen Nazi-Vergleich mit einer Aussage, die Juncker im Dezember gemacht hatte. In einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» sagte Juncker über die Schweiz: «Es bleibt ein geostrategisches Unding, dass wir diesen weissen Fleck auf der europäischen Landkarte haben.» Auf Teleblocher sagte Blocher nun, dieser Satz erinnere ihn an die Hitler-Aussage «Die Schweiz, das freche Stachelschwein, und solches Zeugs.» Weiter sagte Blocher: «Es kommen da Töne, die man seit 70 Jahren nicht mehr gehört hat.»
In dem Interview begründete Juncker, warum er die Schweiz gerne in der EU sähe. «Wer denkt, in der Abschottung des nationalen Raumes gegen den europäischen Raum liege das Heil kleiner Nationalen, der irrt sich fundamental.» Am Ende dieses Jahrhunderts werde Europa nur noch vier Prozent der Weltbevölkerung stellen. Ohne EU verlören deshalb «sogar die grossen europäischen Nationalen dramatisch an Einfluss», sagte Juncker. Die Schweiz sei «ein europäisches Kernland». Zudem würde der EU mit einem Beitritt der Schweiz «eine substanzielle Dosis an gesundem Menschenverstand eingeimpft». Juncker räumte aber auch ein, dass sich die direkte Demokratie «nur schwerstens mit der Notwendigkeit relativ schneller Entscheidungsprozesse in der EU» vertrage. Der 56-jährige Juncker ist einer der einflussreichsten Politiker in der EU. Seit 2005 ist er Vorsitzender der Gruppe der Länder, die den Euro als gemeinsame Währung haben.
Junckers Familie war vom Nazi-Terror direkt betroffen: Nachdem die Nazis Luxemburg im Jahre 1940 erobert hatten, wurden Junckers Vater und drei seiner Onkel von der deutschen Wehrmacht zwangsrekrutiert. Zudem verlor er mehrere Familienmitglieder in deutschen Konzentrationslagern. Mit der Erfahrung seines Vaters begründet Juncker auch seinen Einsatz für die europäische Idee: «Für mich bleibt Europa ein Friedensprojekt.»
Demnächst werden Jean-Claude Juncker und Christoph Blocher direkt aufeinandertreffen. Am 12. Januar treten sie im Zürcher Schauspielhaus zu einem Streitgespräch über die Europäische Union gegeneinander an.