Oltner Tagblatt / MLZ vom 11.11.2010
«Hände leider gebunden» – Kantonsrat lehnt Erheblicherklärung des Auftrags von Roman S. Jäggi ab
Ueli Wild und Nora Bader
Bedauern sprach aus den meisten Voten, doch die Ratsmehrheit kam zum selben Schluss wie Regierung und Jus-tizkommission: Es gibt derzeit keine rechtliche Handhabe fürs Einholen der Wolfsfahne vor dem Lokal des 1978 gegründeten Türkisch-kulturellen Vereins in Wangen. Genau diesen Auftrag hatte Roman S. Jäggi (SVP, Fulenbach) der Kantonsregierung als Hausaufgabe auf den Weg geben wollen: Sie solle die Flagge mit dem Symbol des Grauen Wolfs «unverzüglich» entfernen lassen und das Tragen oder Aufhängen dieses Symbols auf dem Gebiet des Kantons Solothurn verbieten.
«Geht leider nicht – die Hände sind uns rechtsstaatlich gebunden», lautete der Bescheid der Regierung Mitte Juni. Die Justizkommission (Juko) schloss sich dem regierungsrätlichen Antrag auf Nichterheblicherklärung an. Und gestern im Rat folgte der Sprecher der Juko, Thomas Müller (CVP, Lostorf), weitgehend der Argumentation der Regierung. Gestützt auf den Extremismusbericht 2004, die Beurteilung durch den Nachrichtendienst des Bundes (den Dienst für Analyse und Prävention DAP) sowie die bundesrätliche Antwort auf eine Interpellation von Nationalrat Walter Wobmann, kam auch der Kommissionssprecher zum Schluss, dass keine rechtliche Handhabe für eine zwangsweise Entfernung der Wangner Fahne gegeben sei.
Die Grauen Wölfe, rekapitulierte Müller, seien eine rechtsextreme türkische Vereinigung, doch die Verwendung der Wolfsfahne sei nicht gleichzusetzen mit der Ideologie der Grauen Wölfe, da der Wolf ein mythologisches Symbol der turkstämmigen Völker sei. In der Schweiz, wo die Grauen Wölfe nicht verboten seien, werde ihnen auch nur ein geringes Gefährdungspotenzial attestiert. Auch seien bisher keine gefährlichen Handlungen des Türkisch-kulturellen Vereins in Wangen bekannt geworden. Indessen sei die über den kantonalen Integrationsbeauftragten kommunizierte Aufforderung, die Fahne herunterzunehmen und sich von der Ideologie der Grauen Wölfe ausdrücklich zu distanzieren, beim Verein auf taube Ohren gestossen.
Gesetzliche Grundlage fehlt
Das Aufhängen einer Fahne, so der Juko-Sprecher weiter, falle unter das Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit. Bei der Wangner Wolfsfahne handle es sich auch nicht um Propagandamaterial, das zu Gewalt aufrufe. Und ein Gesinnungsstrafrecht gebe es in der Schweiz nicht. Geprüft worden sei, ob sich eine zwangsweise Entfernung auf die polizeiliche Generalklausel im Polizeigesetz abstützen liesse. Doch dem stehe klar entgegen, dass Ordnung und Sicherheit durch die Fahne nicht gefährdet würden. Anders gesagt: Ohne die Schaffung einer neuen Gesetzesgrundlage schlüpft die Fahne durchs rechtsstaatliche Netz. Müller verwies in diesem Zusammenhang auf die hängige Änderung des Rassismusartikels im Strafgesetzbuch, mit der das blosse Bekenntnis zu einer bestimmten Ideologie unter Strafe gestellt werden könnte. In Bern lehnt allerdings ausgerechnet die SVP eine solche Verschärfung ab.
Auch wenn die Regierung nicht über eine Handhabe verfüge, erwarte die Juko, dass alles unternommen werde, um den Türkisch-kulturellen Verein dazu zu bringen, die Fahne einzurollen. – Der Auftrag sei berechtigt, lasse sich aus rechtlichen Gründen aber leider nicht umsetzen, bedauerte Müller zusammenfassend. Aus diesem Grund habe die Kommission mit grossem Mehr gegen zwei Stimmen entschieden, Nichterheblicherklärung des Auftrags zu beantragen.
«Bitte freiwillig herunterholen!»
Grossmehrheitlich die gleiche Auffassung vertrat, wie Müller nachschob, auch die CVP/EVP/glp-Fraktion – gleich wie Hansjörg Staub (Dornach) für die SP- und Rosmarie Heiniger (Gänsbrunnen) für die FDP-Fraktion. Schliesslich plädierte auch Felix Lang (Grüne, Stüsslingen) für Nichterheblicherklärung des Auftrags – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Grünen offen und multikulturell ausgerichtet seien und dass der Türkisch-kulturelle Verein genau diese Offenheit missbrauche. Lang gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich der Verein doch noch dazu überwinden könne, die anstössige Fahne von sich aus zu entfernen.
Die SVP-Fraktion, kündigte Roman Jäggi (Fulenbach) an, werde seinen Auftrag einstimmig unterstützen. Der Auftraggeber bescheinigte dem Departement des Innern, seinen Vorstoss ernst genommen zu haben. «Dass auch ihm diese Flagge ein Dorn im Auge ist, kaufe ich dem Regierungsrat sogar ab.» Wenn aber davon die Rede sei, dass der Wolf auf der Fahne eben ein mythologisches Symbol für alle turkstämmigen Völker sei, könnten sich Kurden und linke Türken nur noch die Augen reiben. Doch hätten sie Angst davor, mit einer Klage (wie sie Markus Knellwolf, glp, Obergerlafingen) anregte, gegen den Verein vorzugehen. Trotzdem: «Wo ein grauer Wolf drauf ist, ist auch ein bisschen Wolf drin!» Jäggi forderte den Regierungsrat auf, gegen diese integrationsunwillige Gruppierung in Wangen vorzugehen. Er möge «mutig und kreativ durchgreifen» und den Fall «medienwirksam bis zum Bundesgericht durchziehen».
Wenn der Bund für eine Norm sorgt …
«Wir haben viel probiert, aber wir haben die Sanktionsmöglichkeiten nicht», sagte Regierungsrat Peter Gomm. Hier handle es sich um ein regional vorhandenes Problem, das auf Bundesebene gelöst werden müsse. Dort, meinte der Vorsteher des Departements des Innern, wäre eine entsprechende Norm zu schaffen. Dann könnte der Kanton gemäss dieser vorgehen.
Mit 69:19 Stimmen folgte der Rat anschliessend Regierung und Kommission und lehnte es ab, den Auftrag erheblich zu erklären. Für den Auftrag Jäggi stimmten neben den SVP-Vertretern zwei Freisinnige.