Grenchner Tagblatt / MLZ vom 11.11.2010
Flagge mit dem «grauen Wolf» Kantonsrat lehnt einen Auftrag der SVP grossmehrheitlich ab.
Elisabeth Seifert
Sämtliche Parteien von links bis rechts und auch die Regierung waren sich gestern im Grunde einig: Die Flagge vor der Moschee in Wangen bei Olten mit dem Symbol des «grauen Wolfes» wirkt auf breite Teile der Bevölkerung irritierend und gehört eigentlich nicht dorthin. Der türkisch-kulturelle Verein, der die Moschee in Wangen betreibt, werde durch die Verwendung dieses Symbols allzu stark in die Nähe der «Grauen Wölfe», einer rechtsextremen türkischen Bewegung, gerückt. Das, zumal sich der Verein bis heute nicht deutlich von der Ideologie der «Grauen Wölfe« distanziert hat.
Der Auftrag von SVP-Kantonsrat Roman S. Jäggi (Fulenbach), der die «unverzügliche Entfernung» der Flagge fordert, stiess deshalb im Kantonsrat durchaus auf offene Ohren. Mit Ausnahme der geschlossenen SVP-Fraktion und zwei FDP-Kantonsräten folgte der Rat aber dennoch dem Antrag der Regierung und der vorberatenden Justizkommission (Juko) und versagte dem Anliegen die Zustimmung. Mit 69 zu 19 Stimmen wurde der Auftrag abgelehnt. Grund: Es fehlt – zumindest derzeit – eine klare gesetzliche Grundlage, um die umstrittene Fahne unverzüglich entfernen zu lassen.
Keine unmittelbare Gefährdung
In seinem ausführlichen Votum rekapitulierte Juko-Sprecher Thomas Müller (CVP, Lostorf) die ihrerseits sehr umfassende Stellungnahme der Regierung. Nach dem vergeblichen Versuch, den türkisch-kulturellen Verein zu einer freiwilligen Entfernung der Fahne zu bewegen (wir berichteten), habe die Regierung verschiedene Möglichkeiten geprüft, eine solche verbindlich anzuordnen. Auch für nonverbale Äusserungen gelte aber, so Müller, das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
«Dieses Grundrecht darf nur eingeschränkt werden, wenn eine gesetzliche Grundlage besteht, ein öffentliches Interesse vorhanden ist, die Einschränkung verhältnismässig ist und der Kerngehalt des Grundrechts nicht angetastet wird.» Weder im eidgenössischen noch im kantonalen Recht bestehe aber eine entsprechende Grundlage, betonte Müller. Vor allem auch deshalb, weil die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch den türkischen Verein nicht unmittelbar gestört oder gefährdet werde.
Denkbar wäre ein Verbot der Flagge durch die – beabsichtigte – Verschärfung des Antirassismusartikels. Ob diese neue Strafnorm, die die Verwendung rassistischer Symbole unter Strafe stellt, aber wirklich kommt, sei noch unklar. Müller: «Gerade auch die SVP hat sich gegen die Revision ausgesprochen.» Trotz fehlender Rechtsgrundlagen sei die Regierung gefordert und müsse «alles unternehmen», so der Juko-Sprecher, um den Moschee-Verein zu bewegen, die Fahne herunterzunehmen. Und: «Tut der Verein dies nicht, stellt er sich selbst ins politische Abseits.»
SVP fordert mehr Mut
Als Sprecher der SVP-Fraktion würdigte Roman S. Jäggi die «gute und sachliche Stellungnahme» der Regierung. Er wünschte dem Regierungsrat aber «mehr Mut», um mit einer entsprechenden Strafanzeige gegen den türkisch-kulturellen Verein einen «medienwirksam» in Szene gesetzten Gerichtsfall zu provozieren. Es sei jedenfalls illusorisch, darauf zu hoffen, dass der Verein von sich aus die Fahne abhängt. Gegen eine Verschärfung des Antirassismusartikels stelle sich die SVP im Übrigen deshalb, weil der Artikel zumeist gegen Mitglieder der SVP verwendet werde.
Die Sprecher der übrigen Fraktionen liessen es im Anschluss an die Erläuterungen von Thomas Müller – der sich auch als Sprecher der Fraktion CVP/EVP/GLP äusserte – bei kurzen Meinungsäusserungen bewenden. Hans-Jörg Staub (SP, Dornach) ist namens seiner Fraktion der Ansicht, dass das Problem in anderen Gemeinden wohl «einvernehmlich» gelöst worden wäre. Zudem betonte er, dass vom türkisch-kulturellen Verein in Wangen b. Olten «keine Gefährdung» ausgehe. Gemäss dem Sprecher der Grünen, Felix Lang (Stüsslingen), bewegt sich der Verein mit seiner «sehr fragwürdigen» Flagge in einer politischen und rechtlichen «Grauzone». FDP-Sprecherin Rosmarie Heiniger (FDP, Gänsbrunnen) forderte die Regierung auf, «mit der Gruppierung im Gespräch zu bleiben».