Newsnetz / Berner Zeitung vom 15.11.2010
Im Streit um eine Studie zu Gewalt in Burgdorf hat der Anwalt Daniel Kettiger vom Bundesgericht Recht erhalten: Er kann die Liste der Befragten, welche die Gemeinde Burgdorf für die Studie zusammengestellt hatte, einsehen.
sda / asu
Hintergrund des Streits ist die Studie «Gewalt im Burgdorf?» aus dem Jahr 2007. Darin kommt der Jugendpsychologe Allan Guggenbühl zum Schluss, dass Burgdorf kein Hort extremer Jugendgewalt sei. Er interviewte für die Untersuchung im Auftrag der Gemeinde Burgdorf 19 sogenannte «Schlüsselpersonen».
Der damals in Burgdorf wohnhafte Kettiger, der mehrmals Opfer rechtsextremer Gewalt vor Gericht vertrat, kritisierte die Studie heftig und wollte wissen, welche Personen Guggenbühl dafür befragt hatte. Da der Burgdorfer Gemeinderat als Auftraggeber die Liste der Interviewten vorgab, bezweifelte Kettiger die Repräsentativität.
Das bernische Verwaltungsgericht lehnte die Einsichtnahme ab, weil aus seiner Sicht die Anonymität von Auskunftspersonen zu schützen ist. Andernfalls würden sich solche Personen nicht mehr für Auskünfte zur Verfügung stellen. Das öffentliche Interesse am Schutz der Forschung überwiege das Recht auf Akteneinsicht.
Nur Aussagen geschützt
Das Bundesgericht sieht dies indes anders, wie aus dem Urteil vom 29. Oktober hervorgeht. Der Beschwerdeführer Kettiger sandte es am Samstag den Medien zu. Es bestehe kein öffentliches Interesse, das der Bekanntgabe der Identität der Interviewten entgegen stehe, hält das Gericht fest.
Es unterscheidet insbesondere zwischen der Bekanntgabe des Namens und der Aussagen der Interviewten. Die Vertraulichkeit im Rahmen der Studie betreffe lediglich die Aussagen, aber nicht, ob jemand an der Studie teilgenommen hat. Es könne kein Vertrauensbruch gegenüber den Teilnehmern geltend gemacht werden.
Das Interesse zu wissen, auf welchen Quellen der Bericht basiere sei wichtig, weil die Quellen von einer politischen Behörde definiert wurden und der Bericht womöglich als Grundlage für konkrete Massnahmen dienen könnte, heisst es weiter.
Hinweise auf Qualität
Das überwiege das Interesse der einzelnen Personen an der Geheimhaltung ihres Namens. Die Liste der interviewten Personen liefere «wertvolle Hinweise auf die Qualität» der Grundlagen, auf denen der Bericht basiert, auch wenn dieser gar nicht mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit auftrete.
Eine Veröffentlichung der Aussagen stand indes nie zur Diskussion. Kettiger wollte einzig die Identität der «Schlüsselpersonen» wissen, zu denen Betroffene, aber auch Behördenmitglieder und Journalisten gehörten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Kettiger müsse in die Liste der Personen, die von der Gemeinde Burgdorf für die Studie erstellt wurde, Einsicht erhalten. Über die Kostenaufteilung muss nochmals das Verwaltungsgericht entscheiden. Kettiger hatte die Kosten für ein Gutachten, das gegen ihn ausfiel, übernehmen müssen. (Urteil 1C_284/2010 vom 29.10.2010)