Tages-Anzeiger vom 01.09.2010
Schwingidol Christian Stucki irritiert mit einer alten rechtsextremen Parole. Alles nur ein Missverständnis, sagt sein Manager.
Maurice Thiriet
Man sah sie nur vereinzelt am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Frauenfeld. Besucher, die rote T-Shirts trugen mit weissem Kreuz und der Aufschrift «Ich bin stolz, ein Eidgenosse zu sein, Schweizer kann jeder werden». Der T-Shirt-Aufdruck ist eine abgewandelte Form einer Songzeile der Neonazi-Band Indizier um den bekennenden Rechtsextremen Dominic Lüthard und die Gebrüder Rohrbach.
Im Song «Wir sind Eidgenossen» auf dem Album «Die letzte Bastion» (2007) heisst es: «Hör gut zu, mein Freund, hier kannst du was lernen: Wir sind Eidgenossen, Schweizer kann man werden.» Es gibt mittlerweile nicht nur T-Shirts, sondern auch Facebook-Gruppen unter diesem Motto, und die SVP bereitet dem Slogan mit ihrer Terminologie der «Masseneinbürgerung» weiterhin den ideologischen Boden.
Eidgenosse im Sinn des Sports
Nun hat sich Christian Stucki, Schwinger des Berner Kantonalverbandes und Drittplatzierter am Eidgenössischen in Frauenfeld, mit einer Interviewaussage in die Nesseln gesetzt, in der er den Slogan zitiert. Auf die Frage des SBB-Magazins «Via»: «In Ihrem Selbstverständnis: Sind Sie zuerst Schweizer oder Berner?», antwortet Stucki: «Zuerst bin ich Eidgenosse. (Lacht) Nein, das ist immer ein heikles Thema, weil es schnell heisst, man sei ausländerfeindlich. Aber Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht.»
Christian Stucki wollte seine Aussage gegenüber dem TA nicht persönlich kommentieren. Stuckis Manager bei der internationalen Sportvermarkterin IMG, Rolf Huser, bezweifelte erst, dass Stucki so etwas gesagt und ohne Präzisierungen autorisiert haben soll, was «Via» aber klar belegen kann.
Stucki sei in keiner Weise fremdenfeindlich eingestellt, sagt Huser. Die Äusserung stehe im Zusammenhang mit dem Schwingsport, wo «Eidgenosse für sportliche Herausforderung und Erfolg» stehe. «Es kann nicht jeder als Schwingerkönig oder Kranzgewinner vom Platz gehen und dann als eidgenössischer Kranzgewinner gelten, denn hierzu benötigt es die Verbindung als Athlet in diesem Ur-Sport, Talent, Fleiss und weitere Stärken, um erfolgreich diesen Sport auszuüben. In diesem Sinne kann wirklich nicht jeder Eidgenosse werden», sagt Huser.
Doris Angst, Geschäftsleiterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), hat das Interview ebenfalls gelesen und einen anderen Eindruck gewonnen. «Es ist schade, dass der Stolz auf das Eigene mit der Abwertung anderer einhergehen muss, die den gewünschten Standard gar nicht erreichen können. Schliesslich haben die anderen Kulturen genauso ihre selbst erworbenen Qualitäten, die mindestens gleichwertig sind», sagt Angst.
Die deutsche Discounterkette Lidl, Stuckis Hauptsponsor, wollte sich nicht zu Stuckis Abwertung uneidgenössischer Schweizer äussern. Ziel von Stuckis Verpflichtung war, der Marke zu mehr «Swissness» zu verhelfen.
Christian Stucki
1,98 m gross und 140 Kilogramm schwer. Erreichte beim Eidgenössischen 2010 den dritten Rang. Er kam damit bei seinem dritten Eidgenössischen in die Kranzränge.