NZZ vom 15.7.2010
Mittelalterfest als Dialog-Anlass soll Rechtsextreme von Sempacher Feier abhalte
Das Wort Schlacht fällt weg, ebenso der farbenprächtige Zug der Krieger zum Denkmal: Die Sempacher Gedenkfeier 2011 wird zum Dialog-Anlass. Ziel der Neuorientierung ist es, die Rechtsextremen abzuhalten.
Martin Merki, Luzern
Blau-weisse Hellebardiere in den Luzerner Farben, am Helmband ein Büschel Eichenblätter als Siegeszeichen, rote Lanzenträger und gelb-schwarze Bauernkrieger mit Rauschebärten: Ein Element der Sempacher Schlachtjahrzeit war seit Jahrzehnten der Zug von historisch eingepackten Kriegern vom «Städtli» Sempach zum Winkelried-Denkmal oben auf der Anhöhe an einem Samstag Ende Juni. Bis zu 250 Männer einer historischen Zunft und wenige Frauen – als Marketenderinnen verkleidet – machten jeweils bei dem Living-History-Projekt mit, bei dem nur noch wenig an einen Gedenkanlass für die Schlacht von 1386 zwischen Eidgenossen und Habsburgern gemahnte. Doch mit dem Zug der Krieger in Strumpfhosen und den kratzigen Filzgewändern ist es 2011 vorbei.
Paradigmenwechsel
Stattdessen wird der folkloristische Umzug zu einem Mittelalterfest mit Mittelaltermarkt in Sempach ausgebaut, vielleicht sogar mit einer Bühne auf dem Sempachersee. Die martialischen Krieger dürfen zwar bleiben, aber ihre Hellebarden verschwinden zwischen Händlern, Gauklern und Handwerkern. Zudem sollen zum Anlass neue Elemente hinzukommen mit dem Ziel, den Kanton Luzern, seine Regionen und seine Bevölkerung in einem Dialog zusammenzuführen. Das Ziel sei ein Paradigmenwechsel: Neu stehen gemäss Regierungsrat das Gedenken an die Ursprünge des Territorialstaates Luzern und das Nachdenken über Gegenwart und Zukunft im Zentrum. Statt Mythen sollen neue historische Erkenntnisse fruchtbar gemacht werden. Wie genau dies geschehen soll, ist offen. Es gibt ein Grobkonzept, das die Luzerner Regierung verabschiedet hat und das bis Ende Jahr weiter entwickelt und in die Details verfeinert werden soll. Die Jugend soll eine wichtige Rolle spielen, auch die Stadt Sempach und die bisherigen Akteure, heisst es. Der ökumenische Gottesdienst mit anschliessendem Umtrunk und der sportliche Anlass (Sempacher Lauf) bleiben erhalten.
«Gedenkfeier light»
Grund für die Neuorientierung ist, dass in den letzten Jahren Rechtsextreme mitmarschierten und nach der offiziellen Feier einen eigenen Kranz niederlegten. Für staatspolitische Reden oder die Darbietungen von Schulkindern schienen sie sich ebenso wenig zu interessieren wie die Linksextremen, denen ein Dorn im Auge ist, dass die Polizei die «Rechten» nicht stärker in die Schranken weist. Vor einem Jahr konnte nur ein massives Polizeiaufgebot für Ruhe zwischen Rechts- und Linksextremisten sorgen. Die Luzerner Regierung beschloss für 2010 eine «Gedenkfeier light» in der Stadtkirche ohne Umzug und eine Denkpause.