Unorthodoxe Ansichten über böse Äusserungen

 

Basler Zeitung vom 23.07.2010

Anlässlich der Verurteilung ihres Ex-Präsidenten protestiert die Pnos Basel gegen das Antirassismusgesetz

Zum Spannungsfeld zwischen Antirassismusartikel und Meinungsfreiheit hat Staatsrechtsprofessor Markus Schefer seine eigene «unorthodoxe Meinung».

 

 

Susanna Petrin

Philippe Eglin, Ex-Präsident der Pnos-Sektion beider Basel, ist am Mittwoch vom Basler Strafgericht wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden (BaZ von gestern). Der Rechtsextreme hatte die sogenannte Holocaustlüge verbreitet. Nach dem Prozess sagte Eglin vor laufenden Kameras, es sei «traurig für die Schweizer Eidgenossenschaft, dass man die freie Meinung unterdrücken lässt». Er werde das Urteil anfechten.

Gestern doppelte die Pnos in einer Mitteilung nach: Eglin sei zu einer unbedingten Geldstrafe «verdonnert» worden, weil er «von seiner Meinungsfreiheit anscheinend zu exzessiv Gebrauch gemacht hat und es gewagt hat, die Echtheit der Tagebücher von Anne Frank infrage zu stellen».

Grenzen der Freiheit

Die Pnos versuche «mit dieser Widerstandshaltung ihre Klientel zu festigen», sagt der Rechtsextremismus-Experte Samuel Althof. Es sei zudem ein Ablenkungsmanöver: «Mit der Holocaustleugnung wird klar die Strafnorm verletzt. Die Pnos probiert, ein anderes Problem daraus zu konstruieren.»

«Wo die Grenzen der Meinungsäusserung liegen, hat unsere Gesellschaft demokratisch bestimmt», sagt auch Strafgerichtspräsidentin Liselotte Henz. Das Antirassismusgesetz ist 1996 von 55 Prozent der Schweizer Stimmbürger angenommen worden.

Seit der Artikel 261bis in Kraft ist, protestieren nicht nur Rechtsextreme dagegen. Auch Vertreter des rechtskonservativen Lagers, etwa Christoph Blocher und Roger Köppel, setzen dem Antirassismusartikel das Recht auf freie Meinungsäusserung entgegen.

Dafür etwas Verständnis hat der Basler Staatsrechtprofessor Markus Schefer. Zum Antirassismusartikel habe er eine «unorthodoxe Meinung». Zwar sei es «einfach nur dumm und böse», etwa einen historisch belegten Völkermord zu leugnen, sagt Schefer, «aber der Staat kann nicht historische Wahrheiten rechtlich schützen». Der Schutz gewisser Bevölkerungsgruppen gehe zu stark auf Kosten der Meinungsfreiheit.

Handlungen Ahnden. Schefer wünscht sich, dass der Schweizer Rechtsstaat mehr in der Hand hätte, um diskriminierende Handlungen zu verfolgen anstatt Äusserungen. Denn an verbalen Angriffen müsse man sich mehr gefallen lassen als an Taten.

Bei der Holocaustlüge sieht Schefer eine Ausnahme – im Gegensatz zur Leugnung des Völkermordes an den Armeniern. Der lange offen existente Antisemitismus sei latent weiterhin vorhanden, deshalb sei es sinnvoll, die Holocaustlüge unter Strafe zu stellen – um zu verhindern, dass der Antisemitismus wieder offen aufflackere. Althof sieht den Grund für das Verbot drastischer: «Die Leugnung retraumatisiert die Opfer, sie ist eine Form psychischer Gewalt.»