Sonntag vom 21.3.2010
Ein angeblich rechtsextremer Roche-Lehrling kommt mit einem Verweis seines Arbeitgebers davon.
Bojan Stula
Weil er von linksautonomen Kreisen als Neonazi denunziert wurde, führte die Roche bei einem 18-jährigen Chemielaboranten-Lehrling aus Bad Säckingen eine umfassende Untersuchung durch.
Als Neonazi blossgestellt wurde der 18-jährige Roche-Lehrling Christoph R.* von linksautonomen Aktivisten der Freiburger «Antifa» (siehe «Sonntag bz» vom 21. Februar). Dazu gingen anonym versandte Warn-Mails an seinen Arbeitgeber, seine Eltern und einen Klassenkollegen an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel ein. Ziel dieser Kampagne war es, die angeblichen Umtriebe des äusserlich unscheinbaren Bad Säckingers in der Kameradschaft «Sturm Hochrhein» an die Öffentlichkeit zu zerren – ein typisches Vorgehen im derzeit eskalierenden Konflikt zwischen Links- und Rechtsextremen im südbadischen Raum.
Die Roche und die Allgemeine Gewerbeschule Basel (AGS) haben diese Hinweise ernst genommen und – im Fall der Roche – eine «umfassende Untersuchung» durchgeführt, wie Mediensprecherin Martina Rupp bestätigt. Auch AGS-Rektor Hans-Ruedi Hartmann nahm sich persönlich dieser Geschichte an. Christoph R. soll sich laut «Antifa» in rechtsextremen Foren damit gebrüstet haben, in der Roche die Bombenherstellung aus Chemikalien zu erlernen und vom Schulcomputer aus auf Neonazi-Seiten im Internet zu surfen.
«Fast alle Vorwürfe sind falsch», sagt Roche-Sprecherin Rupp nach Abschluss der Untersuchung. Zudem könne ein Roche-Laborant nach Feierabend nicht einfach mit gefährlichen Chemikalien unter dem Arm aus dem Betrieb spazieren. Völlig ungeschoren kommt der 18-jährige Lehrling trotzdem nicht davon: Da die Überprüfung seines Computers ergeben habe, dass Christoph R. übermässig viel Arbeitszeit für den privaten Computergebrauch abzweigte, erhält er von der Roche eine offizielle Verwarnung. Sein Lehrvertrag wird dennoch weitergeführt. «Der Betroffene hat sich bei der Untersuchung sehr offen und kooperativ gezeigt», sagt Rupp, «zudem sind seine Lehrlingsleistungen gut».
Dass es sich bei Christoph R. tatsächlich um einen potenziell gefährlichen Neonazi handelt, hält auch Gewerbeschule-Rektor Hans-Ruedi Hartmann für unwahrscheinlich: «Die Schulleistungen und sein Verhalten in der Klasse sind unauffällig. Während der Schulzeit hat er vom Schulcomputer aus nichts gemacht.» Das Thema will der frühere Spitzenhandballer dennoch im Auge behalten; sowohl was die Person von Christoph R. angeht als auch die allgemeine Bedrohungssituation an seiner Schule. «Das Bedrohungsmanagement an Schulen hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt», sagt Hartmann. Niemand wolle sich heutzutage den Vorwurf gefallen lassen, vor einer potenziellen Gefahr wie Amokläufern oder Gewalttätern zu lange die Augen verschlossen zu haben. Unabhängig vom Vorfall mit Christoph R. wird sich die AGS-Lehrerschaft demnächst im Rahmen einer dreitägigen Lehrerfortbildung mit dem Themenkomplex «Bedrohung und Sicherheit» auseinandersetzen.
Was hingegen den illegalen Gebrauch von Schulcomputern angeht, sieht der AGS-Rektor keine rasche Patentlösung. Das schuleigene WLAN-Netz und die Internetanschlüsse im Schülerraum seien in den Pausen nur schwer kontrollierbar. «Die Jungen sind in solchen Dingen derart versiert, dass sie Kontrollmechanismen wohl problemlos aushebeln können.»
Damit ist der vermeintliche Neonazi Christoph R. wesentlich glimpflicher davon gekommen als der Vorsitzende der Basler Pnos Philippe Eglin, dem im vergangenen November wegen rechtsradikaler Aktivitäten bei Novartis gekündigt wurde. Ärgern wird das in erster Linie die «Antifa»-Bewegung, die sich sehr viel auf den Wahrheitsgehalt ihrer Neonazi-Entlarvungen einbildet. Um an ihre Informationen zu gelangen, hacken sich die Breisgauer Linksautonomen illegal in Computer von Besuchern rechtsradikaler Interseiten ein. Wie selektiv aber die Wahrnehmung der Linksautonomen sein kann, beweist die Berichterstattung über die jüngste Basler Anti-WEF-Demonstration auf der «Antifa»-eigenen Homepage: Die vom linksradikalen «Schwarzen Block» verursachten Schäden am Gebäude der Basler Kantonalbank werden mit keinem Wort erwähnt.
*Name geändert
«Die Jungen sind in solchen Dingen derart versiert, dass sie Kontrollen problemlos aushebeln können.»