NZZ Online vom 3.3.2010
Kebap-Bistro angezündet – Regierung appelliert an Zivilcourage
Die Regierung Liechtensteins warnt vor rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung und fordert Zivilcourage. Der Appell folgt auf einen vermutlich rassistisch motivierten Brandanschlag auf ein Kebap-Lokal.
(sda) Gewalttaten von Rechtsradikalen in Liechtenstein haben die Regierung des Fürstentums zu einer Stellungnahme veranlasst. Regierungsrat Hugo Quaderer sagte am Mittwoch in Vaduz, er verurteile solche Vorfälle aufs Schärfste. Sie seien absolut nicht entschuldbar.
«Wir wissen, dass rechtsextreme Einstellungen bis weit in die Mitte der Gesellschaft in Liechtenstein verbreitet sind», sagte Innenminister Quaderer und rief dazu auf, Rechtsextremismus in keiner Form zu tolerieren. Er appellierte an die Bevölkerung, bei Anschlägen und Gewalttaten hin- statt wegzuschauen: «Wir sind jeden Tag aufs Neue gefordert, Mut und Zivilcourage zu zeigen.» Toleranz und Weltoffenheit seien grundlegende staatliche Werte in Liechtenstein, sagte Quaderer laut dem «Liechtensteiner Vaterland».
Der Aufruf folgt auf einen Brandanschlag in Nendeln, bei dem am letzten Freitag ein neues Kebap-Bistro kurz vor der Eröffnung durch Molotow-Cocktails verwüstet wurde. Ebenfalls in Nendeln hatten Ende November 2009 Unbekannte Molotow-Cocktails gegen zwei Wohnhäuser geworfen. Hausbewohner konnten die Flammen löschen, bevor grösserer Schaden entstand. Im September hatten in Triesen Unbekannte den Briefkasten einer liechtensteinischen Familie gesprengt; bei den Trümmern liessen sie einen abgeschnittenen Schafskopf liegen.
In allen Fällen fand die Polizei keine Hinweise auf die Täterschaft, wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur SDA sagte. Daher könne man weder eine Verbindung zwischen den drei Fällen bestätigen, noch eine Verbindung zu rechtsextremen Kreisen.
Rechtsradikale Straftaten
Der Verdacht auf rechtsradikale Täter ist laut der Tageszeitung «Liechtensteiner Volksblatt» zumindest beim ausgebrannten Kebap-Bistro naheliegend. Die Tendenz zu Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund und zur Diskriminierung von Minderheiten sei unverkennbar, so die Zeitung.
Erst vor zwei Wochen schlug ein Jugendlicher in einem öffentlichen Bus einem türkischen Schüler ohne ersichtlichen Grund eine Bierflasche auf den Kopf. Auch zirkulieren in Liechtenstein Flugblätter mit ausländerfeindlichem Inhalt. Plakate, die für Respekt gegenüber Schwulen und Lesben warben, wurden zerstört. Der schwerwiegendste Zwischenfall liegt fast anderthalb Jahre zurück. Am Oktoberfest 2008 in Mauren zettelten Neonazis aus Liechtenstein und der Schweiz eine Massenschlägerei mit türkischen Jugendlichen an. Es gab zwei Schwerverletzte.
Dass es Rechtsradikale gibt in Liechtenstein, bestätigt auch die Polizeisprecherin; man könne das nicht unter den Tisch kehren, sagt sie. Erst kürzlich habe die Polizei von einer rechtsradikalen Vereinigung in Eschen erfahren. Trotz der neuen Vorfälle der letzten Monate erkennt die Polizei weder einen «Grossanstieg des Rechtsradikalismus» noch der Gewalt. Die Jugendgewalt sei von 2000 bis 2008 in etwa gleich geblieben; 2009 allerdings hätten Jugendliche häufiger zugeschlagen.