Zofinger Tagblatt vom 1.3.2010
Luzern Regierungspräsident Anton Schwingruber zur Schlachtgedenkfeier in Sempach
Wann besuchten Sie erstmals die Gedenkfeier in Sempach?
Anton Schwingruber: Vermutlich 1959/60. Da war ich das erste Mal mit dem Velo so richtig unterwegs und wir haben irgendwo Kirschen gestohlen. Von der Feier selber weiss ich nichts mehr.
Im Kantonsrat sagten Sie: «Wir wollen die Denkpause nutzen, um zu denken.» Hat die Regierung die Gedenkfeier bisher gedankenlos durchgeführt?
Schwingruber: Das nicht, aber wir führten sie durch wie seit 1986. Ab 2005 kamen schleichend immer mehr Extreme hinzu. Nur noch sie wurden wahrgenommen. Wir wollen ihnen keine Plattform mehr bieten und uns den Anlass nicht mehr nehmen lassen.
Wenn sie schleichend kamen, hätte man nicht früher etwas unternehmen sollen?
Schwingruber: Weil es keine Störung gab, hatten wir keinen Anlass, Massnahmen zu ergreifen. Was die Sicherheit betrifft, machten wir uns schon Gedanken, auch wegen besorgten Eltern und unseren Gästen.
Wie kann das Augenmerk wieder auf die Feier gelenkt werden?
Schwingruber: Das ist die grosse Herausforderung, worüber wir nun denken. Ein anderes Konzept können wir aber nicht in fünf Monaten auf die Beine stellen. Das hat uns veranlasst, 2010 auf das Minimum zu reduzieren.
Ist diese Pause nicht eine Kapitulation vor den Extremen?
Schwingruber: Nein, es ist eine angemessene Reaktion auf die bisherige Entwicklung. Irgendetwas erzwingen oder die Extremen mit Gewalt zurückdrängen wäre nicht eine Kapitulation gewesen, sondern wir hätten die Muskeln des Staates gezeigt. Das erachte ich als unglücklich. Staatspolitisch muss dieser Anlass allen offen stehen. Abgesehen davon wurde diese Feier immer wieder angepasst.
Pirmin Meier spricht zwei Jahre, nachdem er Festredner in Sempach war, von einer «würdigen Feier» trotz der anwesenden Rechtsextremen. Wie wollen Sie mit einer schlichten Gedenkfeier in diesem Jahr «würdig» sein?
Schwingruber. Wenn wir an die Ursprünge zurückgehen, wird es eine Jahrzeitgedenkfeier für die Gefallenen, was sicher würdig ist. Die Beschränkung auf einen Gottesdienst ist beschlossen von der Regierung. Ob in der Jesuitenkirche in Luzern oder in Sempach, steht noch offen.
Beschliesst die Regierung den Termin?
Schwingruber: Ja, innerhalb der nächsten zwei Monate müssen wir Ort und Datum festlegen. Wenn wir die Feier am Montag nach St. Johann machen, dann wäre noch Session. Ich kann mir vorstellen, dass die Feier in Luzern stattfindet und das Parlament eingeladen wird.
Glauben Sie nicht, dass die Extremen trotzdem nach Sempach gehen?
Schwingruber: Nein. Was sollen die für einen Anlass haben an diesem Juniwochenende, an dem Sempach seinen Hellebardenlauf und das Städtlifest durchführt? Wenn schon, kommen sie am 9. Juli, dem Schlachttag von 1386.
Wer arbeitet jetzt dieses Konzept aus?
Schwingruber: Der Arbeitsgruppe gehören bis jetzt Staatsschreiber Markus Hodel und ganz sicher ein Vertreter des Stadtrates von Sempach an. Dann wollen wir jemanden, der künstlerische, kreative Ideen einbringt. Insgesamt sind nicht mehr als sieben Personen vorgesehen.
Pirmin Meier schlägt statt eines Predigers einen weltlichen Redner vor und nennt Peter von Matt. Was halten Sie von dieser Idee?
Schwingruber. Das muss ein ganz guter Vorschlag sein, denn diese Idee hatte ich schon vor zwei Jahren. Wir haben ihn angefragt, er wollte aber nicht wegen seines Alters.
Und vom Konzept her? Statt eines Pfarrers einen weltlichen Redner einladen?
Schwingruber: Ich bin nicht abgeneigt. Wir wollen die Feier aber auch nicht aufbauschen und ohne Festredner auskommen.
Haben Sie keine Bedenken, dass 2011 wieder Extreme auftauchen?
Schwingruber: Die Frage ist, wie die 625. Jahresfeier konzipiert wird. Möglich ist eine Feier, die für Extreme nicht mehr attraktiv wird, mit Anlässen an mehreren Orten zu verschiedenen Zeiten. Wir sind ja völlig offen. Allerdings drängen wir uns nicht dazu, einen für diese Gruppierungen möglichst unattraktiven Anlass zu organisieren. Wir wollen etwas Gutes organisieren und das im Fokus haben.
Die Pause bei der Gedenkfeier sei keine Kapitulation vor den Extremen, sagt Anton Schwingruber im Interview. Er kann sich für das Jubiläumsjahr 2011 eine dezentrale Feier zu verschiedenen Zeiten vorstellen.
Gespräch: Thomas Stillhart
Zur Person
Anton Schwingruber wird am 2.Mai 60 Jahre alt. Seit 1995 vertritt er die CVP und das Entlebuch im Regierungsrat. Zuerst stand er dem Wirtschaftsdepartement vor, seit 2003 ist er Bildungs- und Kulturdirektor. 2001 und 2005 amtierte Schwingruber als Schultheiss, in diesem Jahr als Regierungspräsident. Der verheiratete Vater von drei Töchtern tritt bei den nächsten Wahlen 2011 nicht mehr an. (sti)