Zürichsee-Zeitung vom 14.1.2010
Sie lachen einen wieder überall an, die Politiker.
Sibylle Saxer
Von Plakaten oder Zeitungsinseraten her, auf dem Bahnhofplatz oder am jeweiligen Dorfmarkt und in virtuellen sozialen Netzwerken wie Facebook. Für einmal suchen die Politiker den Kontakt mit der Bevölkerung. Auf allen Kanälen versuchen sie, um die Gunst der häufig politverdrossenen Stimmberechtigten zu werben. Manchmal verteilen Sozialisten, SVPler und Parteilose Seite an Seite Glühwein, Marroni und Dreikönigskuchen.
In der persönlichen Begegnung kann ich solche Kontakte steuern. In der virtuellen Welt nicht. Genau deshalb ist Facebook meine Sache nicht. Auch als Redaktorin ist meine Einflussnahme nur bedingt, wird doch die Mailbox unserer Redaktion zurzeit geradezu überschwemmt mit E-Mails von Politikern, die versuchen, offensichtlich unbewusst, sich gegenseitig zu überbieten in Sachen Ideen.
Plötzlich entwickeln stramm bürgerliche FDPler, die sonst in erster Linie das Sparen propagieren, eine soziale Ader und setzen sich für eine flächendeckende Einführung der Schulsozialarbeit ein. Umgekehrt, und da staunt der Laie wirklich, bricht ein SP-Jungpolitiker aus dem Nichts eine Lanze für Privatschulen. Ein SVP-Politiker verfällt wiederum auf die Idee, flächendeckend Tempo 30 einzuführen. Und ein valabler Kandidat wird von den Gemeinderatswahlen ausgeschlossen, aus scheinbar formalen Gründen, weil er auch Feuerwehrkommandant ist. Die Kandidatur eines rechtsextremen, psychisch angeschlagenen Arbeitslosen kann dagegen nicht verhindert werden, weil sie, formal gesehen, korrekt ist. Der Wahlkampf treibt wirklich seltsame Blüten.
Einerseits ärgert mich dieser Aktionismus, und ich tröste mich damit, dass der Wahlkampf bald vorbei ist und wieder Normalität im Politalltag einkehren wird. Andererseits weiss ich bereits heute, dass mir dieses Theater fehlen wird – endlich läuft mal was. Und ist es nicht auch tröstlich, wenn die Politiker Fantasie entwickeln und auch mal eine Meinung gegen die eigene Partei vertreten? Visionen brauchen wir schliesslich.
Vielleicht muss ich mir die Sache mit Facebook noch einmal überlegen. Was dort nicht alles an Vernetzungen und Ideen generiert und verbreitet wird. Wahrscheinlich wäre das eine gute Möglichkeit, die Ebbe bis zum nächsten Wahlkampf zu überstehen.