Freiburger Nachrichten vom 11.01.2010
Spätestens seit dem Überfall auf das Lokal Elvis et moi sind die Freiburger Behörden sensibilisiert auf gewalttätige Auswüchse in Zusammenhang mit Konzerten. Mitunter nimmt die Präventionsarbeit allerdings bizarre Formen an.
Pascal Jäggi
Halb belustigt, halb verblüfft zeigt Daniel Savary, Betreiber der Bar XXe an der Tivoliallee in Freiburg, ein Mail, das er vom Oberamt bekommen hat. «Schicken sie uns ihr gesamtes Monatsprogramm jeweils 30 Tage vorher zu», heisst es da. «Wie denn? Wir wissen ja auch erst gegen Ende Januar, was im Februar läuft», meint Savary, «zudem frage ich mich, was es den Behörden bringt, wenn sie sehen, dass bei uns eine Pop- oder Bluesband spielt, ohne irgendeine Ahnung zu haben, wer das überhaupt ist». Spasseshalber fügt Savary an, das Vorgehen erinnere ihn an Staaten wie Nordkorea.
Heikle Öffnungszeit
Beim Oberamt braucht es mehrere Telefonate um den Hintergrund zu erfahren. Schliesslich antwortet Carl-Alex Ridoré persönlich: «Die Oberamtmännerkonferenz hat beschlossen, genauere Informationen über Veranstaltungen einzuholen. Das betrifft ein Jugendfest genauso wie Konzertveranstalter.» Wieso gibt es diese etwas spezielle Auflage für eine Bar? «Das XXe hat im Sommer eine Bewilligung für längere Öffnungszeiten, bis drei Uhr morgens am Wochenende, beantragt. Wir wissen, dass es zu dieser Zeit auf den Strassen und in den Bars hoch zu und her geht. Da kommen Alkohol und Müdigkeit ins Spiel, die Aggression steigt. Aus diesem Grund wollen wir wissen, was an den Abenden genau läuft.» Von Willkür könne keine Rede sein. Jedes Lokal, das diese Verlängerung beantrage, werde gleich behandelt, versichert Ridoré.
Risiken selber abschätzen
Eine Umfrage bei anderen Konzertveranstaltern zeigt, dass alle in irgendeiner Form die Behörden über ihr Programm informieren müssen, allerdings nicht wahllos. «Wir schätzen selber ein, wie risikoreich die Veranstaltungen sind. Danach teilen wir das der Polizei mit», erklärt Martine Chalverat, noch bis Ende 2009 administrative Leiterin des Fri-Son. Im Fri-Son gab es verschiedentlich gröbere Auseinandersetzungen an Konzerten von französischen Gangsta-Rappern. Mit der Konsequenz, dass es seit dem ausgearteten «Booba»-Auftritt 2007 keine solchen mehr gibt.
Ungewöhnliches Publikum
Patrice Gumy vom benachbarten Transformateur meldet die Konzerte bei der Gewerbepolizei an. Leicht amüsiert erzählt er jedoch vom Konzert von Selfish Cunt Anfang 2009, einer umstrittenen Postpunkband aus London. «Der Auftritt fand wenige Monate nach dem Überfall auf das Elvis et moi statt. Die Polizei hat mich kontaktiert und nach dem Sicherheitsdispositiv gefragt. Schliesslich ist sie selbst vorbeigekommen, das Konzert wurde von einem guten Dutzend Polizisten verfolgt.» Geschehen sei nichts, Provokation und aggressives Gehabe entsprechen bloss dem Image der Band, erklärt Gumy, das Publikum sei alles andere als gewalttätig gewesen.
Kein zweites Elvis et moi
Die Anekdote weist aber auf den Hauptgrund für das neue Interesse der Behörden an der Pop- und Rockmusik hin. Nach dem Überfall auf das Elvis et moi (siehe Kasten) musste reagiert werden. Das bestätigt auch Carl-Alex Ridoré: «Ein Vorfall dieser Art darf nicht mehr geschehen. Wir müssen auf solche Ereignisse vorbereitet sein. In erster Linie sind wir dabei aber auf die Kooperation mit den Veranstaltern angewiesen.» Einhellig bestätigen die befragten Organisatoren, ein gutes Verhältnis mit den Behörden zu haben.
Auch Daniel Savary empfindet die Zusammenarbeit als angenehm. «Das kommentarlose Senden eines Monatsprogramms macht für mich allerdings noch immer keinen Sinn. Na ja, jetzt erhält eben auch das Oberamt unseren Newsletter, vielleicht bringt das ja zusätzliche Gäste», schliesst er augenzwinkernd.
Elvis et moi: Ermittlungen bald zu Ende
In Zusammenhang mit dem Überfall auf das Elvis et moi am 11. Oktober 2008 hat die Kantonspolizei in Zusammenarbeit mit mehreren Deutschschweizer Polizeikorps «viele» Personen vernommen, wie sich Untersuchungsrichter Marc Bugnon gegenüber den FN ausdrückt. «Der Stand der Ermittlungen hat sich seit Februar 2009 stark verändert.» Damals galt eine Person als dringend tatverdächtig, sechs weitere wurden verhört. Die polizeilichen Untersuchungen sind abgeschlossen, jetzt folgen die richterlichen Auswertungen. Im Frühling sollen auch diese abgeschlossen sein, sagt Bugnon. Wie viele Personen strafrechtlich verfolgt werden, will Bugnon noch nicht sagen.
Gegen 30 Personen waren damals ins Elvis et moi eingedrungen, um ein Konzert der angeblich rechtsextremen Band Camerata Mediolanese zu verhindern, indem sie Instrumente der Band und Mobiliar der Bar zerschlugen. Zur Tat hatte sich eine «Antifaschistische Aktion» bekannt. Die Kantonspolizei ging davon aus, dass die Täterschaft von ausserhalb stammt. Für Freiburger aus linken Subkulturen ist das Elvis et moi ein beliebter Treffpunkt. Unter anderem wurden dort schon verschiedentlich Punkkonzerte organisiert. Für den Überfall kam hier nie Verständnis auf.