Berner Zeitung vom 22.12.2009
Drei Schweizer standen im Verdacht, an einem Open Air einen Mann verprügelt zu haben. Alle drei wurden am Dienstag freigesprochen.Hans Käser
«Eine isch cho und het mer eis abdrückt.» Das sagte der Geschlagene, der gestern als Privatkläger vor dem Kreisgericht Aarwangen-Wangen auftrat.
Er schilderte einen etwas mehr als zwei Jahre zurückliegenden Vorfall. Der damals 16-jährige Schweizer aus dem Oberaargau war Gast an einem Open Air in der Region, als er plötzlich von einem jungen Mann ins Gesicht geschlagen wurde. «Wir hatten keinen Streit vorher», sagte der Angegriffene, «ich habe den Aggressor nicht einmal gekannt.» Wahrscheinlich sei er geschlagen worden, weil er sich durch seine Kleidung als der Punkszene zugehörig bekenne.
Brutale Gewalt
Ein blutverschmiertes Gesicht und ein gebrochenes Nasenbein waren die Folgen dieser Begegnung. Doch dem ersten Angriff folgte ein weiterer. Als sich der Verletzte zusammen mit drei Kollegen auf den Heimweg machen wollte, versperrten ihnen rund zehn Männer den Weg, warfen sie zu Boden und traktierten sie mit Fusstritten. Bei den Angreifern habe es sich um eine Gruppe von Rechtsextremen gehandelt, sagte der Kläger. Ihre Fliegerstiefel und die kahl rasierten Köpfe habe er trotz der Dunkelheit erkennen können. Wahrscheinlich sei der erste Angreifer auch dabei gewesen. Wegen seiner Verletzungen erstattete der Angegriffene Anzeige.
Die drei über 20 Jahre alten Schweizer auf der Anklagebank zeigten sich gegenüber Gerichtspräsident Fritz Aebi wenig kooperativ. «Ich habe in der Voruntersuchung meine Aussagen gemacht und will nichts mehr beifügen», maulte einer. «Ich sage das Gleiche nicht dreimal.» Die beiden anderen pflichteten bei. Alle drei beteuerten, sie hätten mit der Schlägerei nichts zu tun gehabt. Zur fraglichen Zeit seien sie in einer Bar gewesen, ein paar Kilometer vom Open Air weg.
Auch die Aussagen der insgesamt sechs Zeugen ergaben keine klaren Hinweise auf die Täterschaft. Der Betreiber der Bar konnte nicht sagen, ob die Angeschuldigten zur Tatzeit in seinem Lokal waren. Zwei Zeugen wussten nicht, ob die drei Angeklagten das Open Air an diesem Abend überhaupt besucht hatten. Und zwei andere Zeugen widerriefen ihre Aussagen aus der Voruntersuchung. Nur ein Zeuge behauptete, die drei gesehen zu haben.
Anklage zurückgezogen
Der Tat zu bezichtigen konnte sie aber niemand. Sogar der Kläger war sich nicht hundert Prozent sicher, den Angreifer identifizieren zu können. Im Anschluss an die Einvernahme zog er die Anklage deshalb zurück.
Und so sprach Richter Aebi die drei Angeschuldigten von der Anklage auf einfache Körperverletzung und Angriff frei.
Ganz ungeschoren kamen sie allerdings nicht davon, denn gegen jeden der drei lagen separate Anschuldigungen vor. Einer kassierte für den Besitz und die Verbreitung von Pornografie und Gewaltdarstellungen eine bedingte Geldstrafe von 1800 und eine Busse von 600 Franken. Wegen Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand wurden einem anderen eine bedingte Geldstrafe von 1200 und eine Busse von 1000 Franken auferlegt. Der dritte Angeklagte hatte sich wegen Verstosses gegen das Waffengesetz zu verantworten. Er kassierte eine bedingte Geldstrafe von 1500 Franken und eine Busse von 500 Franken.