Aargauer Zeitung vom 25.07.2009
Auch Symbole bekämpfen
Georg Kreis
Der Bundesrat will mit der Erweiterung des Strafgesetzes (StGB) nach dem Art. 261bis um einen Art. 261ter Symbole der rechtsextremen Politkultur verbieten. Da ist man schnell skeptisch und hat ebenso schnell das leichte Argument der untauglichen Symptombekämpfung zur Hand.
Es wird wohl kaum erstaunen, dass die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) diesen Vorstoss bereits vor längerer Zeit begrüsst hat. Nach der «Rütli-Schande» › am 1. August 2000 wurde bekanntlich die Villiger-Rede von Rechtsextremen massiv gestört › erteilte die Landesregierung erste Aufträge in dieser Richtung. Ein in der Ära Metzler in die landesweite Vernehmlassung gegebener Entwurf eines StGB 261ter wurde mehrheitlich zustimmend aufgenommen.
Departementsnachfolger Blocher hatte aber wenig Sinn für eine Verschärfung der Abwehr von Rassismus. Er wollte im Gegenteil einen Abbau dieses Schutzes. Er nutzte den Spielraum, den er als Chef des Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) hatte, um die Sache zu schubladisieren. Jetzt ist er weg und die Sache wieder da. In der Zwischenzeit hatte man gegen den Fussball-Hooliganismus aufgerüstet. Dies schien wegen der Euro 08 vordringlicher und obendrein unproblematischer, weil es nicht um Politik im landläufigen Sinn ging.
Die Meinungsäusserungsfreiheit bildet den nicht leichten Herzens preiszugebenden Ausgangspunkt der in dieser Problemlage anzustellenden Überlegungen. Sollten Produktion und Reproduktion rechtsextremer Symbolik diesen Schutz geniessen? Es gilt das Prinzip, dass der Freiheit des einen da Grenzen gesetzt sind, wo die Freiheit des anderen beginnt. Wir haben gelernt, dass individuelles Handeln nicht grenzenlos beleidigend und aggressiv sein kann. Als individuelles Opfer können wir selbstverständlich Rechtsschutz haben › wenn die Tat einmal begangen wurde.
Muss man also abwarten? Oder gibt es hier wie in anderen Bereichen einen Vorbereitungstatbestand, gegen den bereits eingeschritten werden muss? Jede Rechtsordnung ist auf Prävention, auf Verhinderungswirkung, angelegt. Der Zusammenhang zwischen dem Kult rechtsextremer Ideale und menschenverletzenden Konsequenzen ist offensichtlich.
Es ist klar, dass ein Symbol nur ein Symbol ist. Was ist oder bedeutet ein Schweizerkreuz? Was ein Hakenkreuz? Mit Symbolen bringt man Haltungen zum Ausdruck und propagiert diese zugleich. Im Falle des harmlosen und unproblematischen Schweizerkreuzes sind die Haltungen vielfältig, im Falle des Hakenkreuzes sind sie nicht nur einfältig, sondern eindeutig und historisch für immer diskreditiert. Das Verbot von solchen Symbolen in allen Varianten (vom Hitlergruss zum Kühnengruss) ist gewiss Symptombekämpfung, dies sei zugegeben. Es braucht sicher mehr. Auch Gegeninszenierungen, wie sie auf dem Rütli versucht wurden und bei der nächsten Sempach-Feier nötig sind, weil diese von den Rechtsextremen ebenfalls als Aufmarschfeld genutzt wird.
So begrüssenswert Massnahmen sind, die auf Vermeidung und innere Bekehrung angelegt sind: Wichtig ist die gleichzeitige Bekämpfung der Verbreitung in der Öffentlichkeit. Der Staat soll es nicht zu seiner Aufgabe machen, das Innenleben von Menschen in welcher Richtung auch immer zu beeinflussen. Er ist aber verantwortlich für die öffentliche Ordnung. Der richtige Schutz der öffentlichen Ordnung ist ein wichtiger Beitrag auch zum Schutz der Gesellschaftsangehörigen.
Wer sich gerne vor allem von der linken Seite bedroht sieht, wird die vorgeschlagenen Massnahmen als einseitig empfinden. Es gibt in diesem Fall aber keine Symmetrie. Wie sehr Linksextreme zum Teil ebenfalls einer Gewaltideologie anhängen (Gewalt gegen Sachen und menschenverachtende Gewalt gegen «Bullen»): Sie propagieren keine Ordnung, die von ungleichwertigen Menschen ausgeht und die Schwächsten der Gesellschaft der Aggression aussetzt. Der Gesetzesentwurf spricht nicht von Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ihm geht es um eine Variante der Rassismusbekämpfung, darum spricht er allgemein von rassistischen Symbolen, er nennt aber speziell die Symbole des Nationalsozialismus. Sollten Linksextreme je Analoges entwickeln, wären auch sie erfasst.
Ein zusätzliches Argument für die Repression rassistischer Symbolik ergibt sich daraus, dass solche Massnahmen in Deutschland und Österreich längst in Kraft sind und darum aus diesem Raum in die Schweiz ausgewichen wird. Es ist nicht gut, wenn die berühmte Schweizerfreiheit für die Entfaltung von Rassismus genutzt werden kann.
Die EKR hat diese von ihr begrüsste Reform nicht initiiert, und sie ist, obwohl einige aus ihr gerne ein Feindbild machen, zum Glück überhaupt nicht allein in der Bekämpfung des Rassismus. Es liegt in der Natur ihres bundesrätlichen Auftrags, dass sie eher unerfreuliche Erscheinungen thematisiert. Darum ist es ihr speziell wichtig, dass sie von Zeit zu Zeit auch Positives melden kann. Etwa die jüngst verabschiedeten Richtlinien zum Einlass in Discos, die einen anerkennenswerten Versuch darstellen, eine problemgerechte, deswegen aber nicht rassistische Praxis von Türstehern zu sichern. Die EKR anerkennt, dass in der Schweiz bei zuweilen nicht einfachen Gegebenheiten vieles bemerkenswert gut läuft. Sie hat dazu ein Manifest verfasst, das am 22. August im Beisein von Bundesrat Couchepin in der speziell plurikulturellen Stadt Biel vorgestellt wird.
Gastautoren äussern in ihren Beiträgen ihre persönliche Meinung. Heute:
Prof. Georg Kreis, Historiker an der Universität Basel, Leiter des interdisziplinären Europainstituts.