Basellandschaftliche Zeitung / MLZ vom 18.08.2009
Sieben «Glatzen» müssen sich vor dem Baselbieter Strafgericht für brutale Übergriffe auf Ausländer und «Linke» verantworten. Sie haben zu jenen rechtsextremen «Glatzen» gehört, die teilweise noch als Jugendliche 2004 am Überfall auf den Pronto-Shop in Liestal teilgenommen haben und für mehrere Schlägereien sorgten. Diesmal stehen sie vor dem Baselbieter Strafgericht.
Rolf Schenk
Die sieben jungen Männer sind keine unbeschriebenen Blätter. Die Anklage wirft ihnen eine ganze Reihe von Vergehen vor, unter anderem mehrfache, teilweise schwere Körperverletzung, Raufhändel und Anstiftung zum Angriff, Tätlichkeiten, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Rassendiskriminierung.
Die heute zwischen 23 und 28 Jahre alten Männer gehörten jener rechtsextremen Szene an, die nicht nur im Baselbiet, sondern auch im Fricktal und im Solothurnischen als Mitglieder oder Anhänger der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) immer wieder durch rassistisch motivierte Überfälle und Schlägereien gegen Ausländer und «Linke» bei der Bevölkerung für Angst und Schrecken gesorgt haben. Die Richterinnen und Richter des Baselbieter Strafgerichts werden es nicht leicht haben. Bei Prozessbeginn sassen der Kammer unter dem Vorsitz von Strafgerichtspräsidentin Jacqueline Kiss sechs geläuterte Rechtsextreme gegenüber, die allesamt Bomberjacke, Kampfstiefel, Hitlergruss und ihre alte Gesinnung abgegeben haben.
Nur einer der Angeklagten, ein ehemaliger Zeitsoldat, bekennt sich immer noch zum rassistischen Gedankengut und ist deshalb auch in diesem Sommer erneut mit der Polizei in Konflikt geraten, weil er sich mit Gesinnungsgenossen als «Gegendemonstrant» an der «Europride» in Zürich unangenehm bemerkbar gemacht hatte.
Kaum ein Fest ohne Schlägerei
Primär hat sich das Gericht mit 13 Schlägereien an Dorffesten und bei internen Feiern zu befassen, an denen die sieben Angeklagten von Ende Mai 2005 bis Februar 2007 teilweise oder im Kollektiv beteiligt waren. Dazu kommen noch Vorfälle jüngeren Datums. Der jüngste der Angeklagten muss sich zudem noch wegen zahlreichen Verkehrsdelikten verantworten, die er begangen hat, ohne im Besitze eines Motorfahrzeug-Führerscheins zu sein.
Arbeitsunfähig geprügelt
Auf der Anklageliste findet sich etwa ein Überfall vom Mai 2005, als ein damals 18-Jähriger vor dem «Nelson Pub» in Liestal so brutal zusammengeschlagen wurde, dass er über zwei Monate arbeitsunfähig war. Der gleiche Schläger war drei Monate später mit drei Angeklagten auch für eine Schlägerei an einem Fest in Zunzgen verantwortlich. Den nächsten «Auftritt» hatte der grösste Teil der Bande im Dezember gleichen Jahres, als sie nach einer Geburtstagsfeier in Grenchen dort einen Club aufsuchten und einen dunkelhäutigen Gast verprügelten. Anschliessend lieferten sie sich eine «Schlacht» mit Polizisten.
Sturzbetrunken unter dem Tisch
Exemplarisch für ihr Treiben war sicher die Schlägerei, die sich in der Nacht vom 24. auf den 25. März 2006 im «Nelson Pub» in Liestal entwickelt hatte. Gefeiert wurde der 18. Geburtstag des jüngsten Angeklagten, der heute wieder in seinem Heimatland Österreich lebt. Zu diesem Fest kamen auch Gesinnungsgenossen aus Grenchen und dem Grossraum Zürich. Der Alkohol sei in Strömen geflossen. Man habe den Jungspund «abfüllen» wollen, sagte einer der Angeklagten, der gestern wie auch die übrigen Angeklagten emotionslos über die damaligen Geschehnisse berichtete.
Nazi-Lieder auswendig gelernt
Das muss gründlich gelungen sein, den das Objekt der Feier lag bereits sturzbetrunken unter dem Tisch, als zuerst Nazi-Parolen («Sieg heil» und so weiter) und -Lieder gegröhlt und der Hitlergruss zelebriert wurde. «Absolut widerwärtige Texte», stellte Jacqueline Kiss fest. «Als ihr die Lieder auswendig gelernt habt, wart ihr sicher nüchtern», sagte sie danach scharf auf den Einwand der Angeklagten, dass sie damals eben «stockbesoffen» gewesen seien.
So richtig angefangen hatte die Schlägerei jedoch dann, als sich zwei der «Glatzen»-Freundinnen handgreiflich und mit Biergläsern bewaffnet mit einer jungen Spanierin anlegten. Danach gab es kein Halten mehr: Biergläser, Aschenbecher und Barhocker flogen durch den Raum. Leidtragende waren die wenigen unbeteiligten Gäste, von denen einer per Sanitäts-Notruf mit erheblichen Verletzungen ins Spital eingeliefert werden musste. Der zweite erlitt einen Bluterguss am Auge.
Der von Zeugen als «Anführer» geschilderte Angeklagte war zu jenem Zeitpunkt mit einem weiteren Kollegen zwar «zum Verlüften» draussen vor der Tür, kam dann aber ins Lokal zurück und erhielt zur Begrüssung gleich von einem Kumpel einen Aschenbecher an den Hinterkopf.
Selbstbewusst, aber höflich
Gestern vor Gericht gaben sich alle Angeklagten äusserst manierlich. Auch der bekennende Neonazi, der sich erst seit diesem Jahr definitiv der Pnos angeschlossen hat, gab auf alle Fragen höflich Antwort. Er hatte sich allerdings von der Verhandlung abgemeldet und musste gestern von der Polizei vorgeführt werden.
Die Hauptverhandlung vor dem Baselbieter Strafgericht dauert noch die ganze Woche. Das Urteil wird am 2. September eröffnet.