Neue Luzerner Zeitung vom 17.07.2009
Vier Politiker diskutierten, wie das Schlachtjahrzeit entpolitisiert werden kann. Ihre Ideen sind verschieden.
Emanuel Thaler
Der Ort war nicht zufällig gewählt: Im Restaurant Schlacht in Sempach organisierten die Jungfreisinnigen zusammen mit der Jungen CVP gestern Abend eine Podiumsdiskussion zum Thema «Politischer Extremismus und politisch motivierte Gewalt». Der Hintergrund: Vor nicht einmal drei Wochen fand dort das 623. Schlachtjahrzeit statt mit 350 Teilnehmern, darunter 200 Rechtsextreme. Im Städtchen Sempach demonstrierten gleichzeitig 100 Linke und Linksextreme gegen die Präsenz der Rechtsextremen am Gedächtnis für die bei der Schlacht zu Sempach gefallenen Luzerner Soldaten.
«Ticketsystem kanns nicht sein»
SVP-Nationalrätin Yvette Estermann sagte zu Beginn der Diskussion: Das Schlachtjahrzeit sei immer problemlos verlaufen. «Bis die Linken aufgetaucht sind. Die besetzen eine Veranstaltung, machen Klamauk.» Und was passiert dann? «Der Anlass», so Estermann, «wird entweder verboten oder so gestaltet, dass sich die normalen Besucher nicht mehr darauf freuen können.»
Diese These stiess bei SP-Kantonsrat Lathan Suntharalingam auf wenig Gegenliebe: Yvette Estermann nehme damit die Rechtsextremen in Schutz, argumentierte er. Sein Ziel sei: «Die Sempacher Feier soll weiterhin stattfinden können.» Diesem Ziel hatte sich auch Stefan Schöpfer, Präsident der Jungfreisinnigen des Kantons Luzern, verschrieben. Zentral ist laut ihm die Frage, wie man die Leute von der Feier fernhalten kann. «Ein Ticketsystem kanns nicht sein», den traditionsreichen Anlass dürfe man nicht kaputt machen. Er sieht die Möglichkeit, die Veranstaltung zu vergrössern. «Damit gehen die Extremisten in der Masse unter.»
«Abführen, wer Regeln verletzt»
Nur zuzuschauen könne tatsächlich keine Option sein, befand auch die Krienser SVP-Nationalrätin Estermann. Man müsse sich die Frage stellen, wer die Ordnung störe. Die Antwort hatte sie sofort parat: «Die Leute, die sich vermummen. Sie schämen sich offenbar und stehen nicht dazu, was sie tun.» Teilnehmen dürften alle, «aber sie müssen sich an Regeln halten und die Transparente zu Hause lassen». Wer sich sich nicht an die Regeln des Staates halte, gehöre von der Polizei abgeführt.
Beratung ausbauen
René Gmür, Präsident der Jungen CVP, versuchte die Szenen zu analysieren: «Die Gruppen zu zerschlagen bringt nichts, das zeigen Erfahrungen aus Deutschland.» Dann tauchten sie nämlich in den Untergrund ab. Vielmehr müssten Mitläufer aus den extremistischen Gruppen herausgeholt werden. Der Freisinnige Stefan Schöpfer stimmte zu, wies jedoch darauf hin: «Der Ausstieg ist sehr schwierig.» Auf Beratungsangebote müsse verstärkt aufmerksam gemacht werden. «Die Eltern sollen Symbole erkennen und merken, wenn ihre Kinder in eine Szene abdriften.» Dem pflichtete Suntharalingam bei: «Je mehr Leute wir aus den Szenen rausholen, desto weniger hat die Polizei zu tun. Das spart Kosten.» Schulklassen, Pfadi und andere Jugendorganisationen müssten im kommenden Jahr eingebunden werden, «damit Extremisten als kleine Flecken im Zug verschwinden», so der SP-Kantonsrat.
Dass sich die Situation ändere, wäre auch im Sinne des Sempacher Stadtrats. «Wir wollen im nächsten Jahr nicht wieder 300 Polizisten und eine Helikopterüberwachung», so Stadtrat Werner Husmann.
Zahlen und Fakten
Regelmässig kleinere Übergriffe
Als einziges gewalttätiges Ereignis mit extremistischem Hintergrund im Kanton listet das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in seinem Bericht zur inneren Sicherheit 2008 einen Tränengas-Angriff zweier Rechtsextremen auf eine linksalternative Wohngemeinschaft in Emmenbrücke auf. Der Überfall vom 27. September ist laut Kantonspolizei-Kommandant Beat Hensler vom Ausmass her eine Ausnahme. Aber: «Kleinere Übergriffe gibt es regelmässig.» Zu Hause sind die Rechtsextremen vorwiegend im Raum Willisau, die linksextreme Szene bewegt sich in der Stadt Luzern und in der Agglo. Schweizweit gabs 2008 laut Fedpol 122 Gewalttaten mit linksextremem, 24 mit rechtsextremem Kontext.