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Im Internet bekennt sich eine neue Generation von Rechtsextremisten zu einer
«längst notwendig gewordenen neuen Strategie».
Mit modernen Internetseiten gehen die Cyber-Rechten auf Seelenfang, sie berichten über
geplante Aktionen ebenso wie über das letzte Grillfest und die Kanufahrt der «nationalen Kräfte
im Kreis Steinburg». Die Musik liefern Nazi-Bands wie die «Zillertaler Türkenjäger», deren
Machwerke unbehelligt im Internet kursieren. Im Visier sind vor allem Jugendliche.
Die Zeiten, in denen Nazis mit glattrasierten Köpfen, Bomberjacken und Springerstiefeln auf der
Strasse marschierten, gehören immer mehr der Vergangenheit an. Der Nazi 2.0 hat «sein Outfit
verändert und man nutzt beispielsweise Graffitis als eine Aktionsform», weiss Stefan Glaser von
Jugendschutz.net. Das veränderte Verhalten spiegele sich auf den Webseiten wider. Dies seien
«grafisch zum Teil sehr ansprechend».
Rechtsextrem auf den zweiten Blick
«Der zweite Aspekt ist der, dass rechtsextreme Websites heute auf den ersten Blick nicht immer
als rechtsextrem zu erkennen sind», sagte Glaser. Sehr oft gebe es Seiten, die man erst einmal
anderen politischen Gruppen zuordnen würde.
Als eines von vielen Beispielen nennt Glaser die Homepage der «Aktionsfront Mittelsachsen».
Wie ein üblicher Blog kommt sie daher, macht sich beispielsweise «Gedanken über die Kultur –
Ihre Notwendigkeit für unser Überleben». Was wie ein philosophischer Ansatz mutet, endet in
derbstem Nazijargon: «Werden wir wieder deutsche Menschen und tragen wir diesen Geist
hinein in unser Volk!»
Wer dann richtig mitmischen will, wird per Link gleich auf das für einen Nazi offenbar
unentbehrliche Zubehör verwiesen. «Support Wear Germany» offeriert mit einem «donnernden
Heil an Alle» neben Buttons mit der Aufschrift «Braune habe gute Laune» auch
Lederhandschuhe mit Quarzsandfüllung, die bei einem Schlag besonders gefährliche
Verletzungen hervorrufen.
Nazipropaganda im Schlager-Gewand
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, beklagte auf einer
Expertenkonferenz am Donnerstag in Berlin, dass rechtsextremistische Videos trotz vorherigen
Verbots immer wieder im Internet auftauchen würden. Rose zeigte als Beispiel ein Video der
verbotenen Nazi-Band «Landser», das unter dem Titel «Zigeunerpack» ebenso brutal wie
dumm agiert.
Wer «Zigeunerpack» beim Internetportal Youtube eingibt, bekommt sofort einige Fundstellen
angezeigt. Und die weisen dann, weil es so praktisch ist im Netz, mit weiteren Links auf Stücke
wie «Deutschland den Deutschen» und anderen Dumpfheiten hin. Auch «Landser»-Videos sind
im Netz zu sehen.
«Wenn Musik und Video integriert sind, wirken die Seiten ganz anders, und dann ist die
Tendenz erst mal ganz anders, nämlich zu sagen: Jawohl, hier schau ich, was versteckt sich
denn dahinter», hat Jugendschutz.net-Mann Glaser beobachtet. So textet die Nazi-Band
«Zillertaler Türkenjäger» zur Musik des alten Schlagers «Apfelsinen im Haar» rassistische
Zeilen, von denen «Die Augen halb zu und eine windschiefe Nase, mischt sich überall ein, das
kann Paolo nur sein» noch eine der harmloseren ist. Die neue CD sei als Hardcover noch gar
nicht verfügbar, sagt Glaser, gleichwohl kursieren die neuen Stücke hundertfach im Netz.
Verhaltener Optimismus
Dass die Plage jemals ganz eingedämmt werden kann, darüber gibt sich auch die Politik keinen
Illusionen hin. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries kann auf Erfolge verweisen, sieht
gleichzeitig aber ganz nüchtern «eine Daueraufgabe». Staat und Zivilgesellschaft müssten
permanent gemeinsam gegen die braune Flut im Internet vorgehen, fordert sie.
Experte Glaser sieht das ganz ähnlich, er wirkt dabei erfreulich optimistisch. Im Inland
funktioniere die Zusammenarbeit mit Internetanbietern schon ganz gut, sagt er und will auch
nicht gelten lassen, dass Server im Ausland mangels internationaler Übereinkommen oder
Gesetzen für deutsche Behörden nicht greifbar seien.
«Jugendschutz.net» hat einen verblüffenden Trick gefunden. «Wir agieren da ganz einfach auf
Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jeweiligen Dienste», erklärt Glaser. Die
meisten Provider beispielsweise in den USA hätten einen Passus, nach dem «hate speech»,
also Hassreden, auf ihren Seiten verboten seien. Die Erfolgsquote beim Verbot aller
unzulässigen Angebote im In- und Ausland liege bei 80 Prozent, sagt Glaser.