Zürichsee-Zeitung vom 02.07.2009
Bundesrat Rassismusstrafnorm soll verschärft werden – Widerstand regt sich
Wer die Hakenkreuz-Fahne schwingt oder den Hitlergruss macht, soll bestraft werden. So will es der Bundesrat. Der Vorschlag stösst bei Experten und der Polizei jedoch auf Kritik. Christoph Reichmuth
Die Bilder lösen Beklemmung aus: Hunderte von Rechtsextremen missbrauchen das Rütli Jahr für Jahr, um ihre braune Gesinnung zu verbreiten. Sie johlen, sie schwingen unzweideutige Fahnen, manche heben die Hand zum Hitler- oder Kühnengruss. Das will der Bundesrat nicht mehr tolerieren. Wer rassistische Symbole wie Nazi-Abzeichen oder Nazi-Grüsse benutzt, soll künftig bestraft werden. Auch wer Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Abzeichen herstellt und verbreitet, soll es mit den Gesetzeshütern zu tun kriegen. Ausnahmen gibt es: Wer im Familien- oder Freundeskreis derartige Symbole verwendet, macht sich nicht strafbar. Auch Kulturschaffende dürfen bei dokumentarischen Arbeiten weiterhin die Symbole gebrauchen.
«Nicht gleich mit Strafrecht lösen»
Der Vorschlag des Bundesrates stösst allerdings auf Widerstand. Der Luzerner Journalist und Grossstadtrat Hans Stutz ist langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene. Die geplante Verschärfung weckt in ihm Skepsis: «Man muss politisch und gesellschaftlich unerwünschte Auswüchse nicht immer gleich mit dem Strafrecht zu lösen versuchen. Sinnvoller wäre es, wenn der Staat das zivil-gesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus stärker unterstützen würde.»
Stutz denkt an die Schaffung einer eigens dafür geschaffenen Institution, die dem Problem des Rechtsextremismus durch Publikationen oder Lancierung von Präventionsmassnahmen entgegenwirken könnte. Zudem, so Stutz weiter, «müssen wir die bestehende Rassismusstrafnorm konsequent und effizient anwenden.» Ein Fragezeichen setzt Stutz auch bei der Anwendung des neuen Gesetzes: «Greift die Polizei tatsächlich ein, wenn in einer Gruppe von 100 Rechtsextremen fünf die Hand zum Hitlergruss erheben?»
In der Tat: Wie das neue Gesetz angewendet werden soll, das bereitet auch der Polizei Kopfzerbrechen. Karin Keller-Sutter, St. Galler Regierungsrätin und Vizepräsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), gibt zu bedenken: «Die Erfahrungen mit dem Vermummungsverbot zeigen, dass ein Einsatz gegen eine Gruppe nur gegeben ist, wenn der Einsatz verhältnismässig wäre.» Diese Verhältnismässigkeit wäre beim von Hans Stutz eingebrachten Beispiel kaum gegeben. Zudem sei zu befürchten, so Keller-Stutter weiter, dass sich die Rechtsextremen einer Ersatz-Symbolik bedienten. Die Justizdirektorin aus dem Kanton St. Gallen sagt ferner: «Ein Gesinnungsstrafrecht ist stets heikel. Man kann jemanden büssen, aber ein Rechtsextremer bleibt er deshalb trotzdem.»
Mehr Aufklärung betreiben
Per se gegen die Rassismusstrafnorm stellt sich die SVP. Der Zuger SVP-Nationalrat Marcel Scherer sagt: «Das gibt nur Juristenfutter. Was fällt unter die Strafnorm, was nicht?» Tatsächlich hat der Bundesrat darauf verzichtet, eine Liste mit strafbaren Symbolen zu erstellen. «Die Rechtsextremen lassen sich von Bussen kaum abschrecken. Mit Aufklärung in der Schule würde man mehr erreichen.» Das unterstützt auch der Luzerner SP-Nationalrat Hans Widmer: «Man muss die Prävention verstärken.»
Der Bundesrat hat die Vorschläge gestern in die Vernehmlassung geschickt, die bis zum 3. Oktober dauert.