Der Bund vom 24.12.2010
In Frankreich und Belgien kennt man Oskar Freysinger als «den Mann hinter dem Minarettverbot». Als Gastredner obskurer Gruppen bekräftigt der Walliser SVP-Nationalrat das Feindbild Islam.
Richard Diethelm, Sitten
Die französischen Medien interessieren sich normalerweise nicht für Schweizer Politik. Ausnahmen von dieser Regel waren vor einem Jahr das Ja des Schweizervolkes zu einem Bauverbot für Minarette und im November die Annahme der SVP-Ausschaffungsinitiative. Um dieses helvetische Phänomen zu erklären, richteten frankofone Medien ihre Scheinwerfer auf den eloquentesten Verfechter der zwei Volksbegehren in der Westschweiz: den Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger.
In Frankreich porträtierte der bürgerliche «Figaro» den «scharfen Kritiker der Minarette». Der TV-Sender France 2 lud Freysinger in die stark beachtete Sendung «L’objet du scandale» ein. Wegen der Ausschaffungsinitiative besuchte eine Equipe von France 2 den SVP-Nationalrat auch in Sitten, wo er an einer Mittelschule Deutsch unterrichtet. Seit der Genfer Soziologe und ehemalige SP-Nationalrat Jean Ziegler vor Jahren in französischen Medien über die «Gnomen von Zürich» und die Helfershelfer von Steuerflüchtlingen herzog, hat im Nachbarland kein anderer Schweizer Politiker mehr so viel Bekanntheit erlangt.
E-Mail von Brigitte Bardot
Der Walliser geniesst die Aufmerksamkeit, die ihm im Ausland zuteilwird. Nach seinem Auftritt in der Sendung über Skandale habe er 500 Mails erhalten, «darunter eines von Brigitte Bardot», sagt Freysinger im Gespräch in einem Sittener Café. Als er letzten Samstag in Paris an der Internationalen Tagung gegen die Islamisierung Europas auftrat, hätten 400 000 die Live-Übertragung via Internet angeklickt und danach 50 000 auf Youtube seine Rede über die «Benutzung des Islam zu politischen Zwecken» angehört.
Freysinger ärgert sich, dass er in Medienberichten wegen dieses Auftritts mit der rechtsextremen Szene in Verbindung gebracht wurde: «Die Tagung wurde von 15 Organisationen aus der Zivilgesellschaft organisiert, das Spektrum reichte von Homosexuellen, Feministinnen, jüdischen Organisationen bis zum Bloc identitaire.» So harmlos, wie Freysinger es darstellt, war die provokativ in einen Stadtbezirk mit vielen muslimischen Bewohnern verlegte Tagung allerdings nicht.
Eingeladen hatte den SVP-Nationalrat eine obskure Gruppe namens Riposte laïque (säkularer Widerstand). Seit die von ehemaligen Trotzkisten gebildete Gruppe sich dem Kampf gegen die Einwanderung von Muslimen verschrieben hat, knüpfte sie gemäss französischen Medien Bande zum Bloc identitaire. Dieser war 2002 aus der rechtsextremen Unité radicale hervorgegangen.
Im Ausland kennt der Walliser keine Berührungsängste gegenüber Rechtsextremen, wie auch ein Auftritt Mitte Oktober in Brüssel belegt. Auf Einladung einer katholischen Bewegung, die in den muslimischen Gemeinden Europas eine Bedrohung «unserer Werte» sieht, sollte Freysinger zum Thema «Der Islam, eine Gefahr?» reden. Die Behörden verboten den in einem Quartier mit vielen Muslimen geplanten Auftritt. Darauf öffnete Filip de Winter, der Führer des rechtsextremen Vlams Belange, dem Schweizer das flämische Parlamentsgebäude.
Islam statt Kommunismus
Warum tritt Freysinger als Abgeordneter der grössten Schweizer Partei im Ausland nicht vor unverdächtigen rechten Parteien auf? «Die politisch Korrekten laden mich nicht ein. Ich nutze die mir angebotenen Plattformen, meide jedoch Neonazis und Revisionisten», sagt er. Liest man seine auf der Webseite des Bloc identitaire publizierte Pariser Rede, versteht man, weshalb etablierte Parteien den Walliser nicht als Starreferenten einladen. Rhetorisch meisterhaft bestärkt er seine Zuhörer in ihren Ängsten vor einer Islamisierung Europas.
Nach dem Ende des Kommunismus besetze der Islam mit seiner Überfülle an Dogmen und Regeln «ohne Zögern und ohne in Zweifel gezogen zu werden» die Leere an Werten in den modernen Gesellschaften, rief Freysinger in Paris in den Saal. «Sein Glaubenssystem basiert notwendigerweise darauf, die Macht über alle Lebensbereiche und alle verfügbaren Gebiete und nicht nur die Weltanschauungen zu erlangen.»
Eine knappe Woche nach dem Auftritt in Paris weist Freysinger den Vorwurf, er schüre durch solche Reden eine allgemeine Angst vor Muslimen, als «lächerlich» zurück. «Das Volk spürt instinktiv, dass sich da eine Weltanschauung breitmacht, die unseren Werten total zuwiderläuft», sagt er.