Stephan Künzi ist Leiter der Redaktion Burgdorf und Emmental
Irgendwie fühlen wir uns alle ohnmächtig vor dieser Demo, die Burgdorf am nächsten Sonntag hinnehmen muss. Die Stadtbehörden, die von Gesetzes wegen nicht anders konnten, als die Kundgebung der rechtsradikalen Partei national orientierter Schweizer (Pnos) zu bewilligen, trotz ihrer berechtigten Angst, dass es zu Zusammenstössen mit den bereits mobilisierten Gegendemonstranten aus der links-autonomen Szene kommen wird. Die Anwohnerinnen und Anwohner sowieso, die Demos gleich welcher Couleur nicht gewohnt sind und nun ihr beschauliches Städtchen bereits in Gewalt und Chaos versinken sehen. Und nicht zuletzt auch wir Journalistinnen und Journalisten, die zwar über das Geschehen an diesem Nachmittag berichten werden, dies aber auch nur mit Beklemmen tun werden, falls die befürchteten schlimmen Bilder tatsächlich Realität werden sollten.
Und so sind Ereignisse, die sonst der grossen Politik vorbehalten sind, plötzlich ganz nah. Nicht nur mit Blick auf das Thema, wofür die Rechtsradikalen auf die Strasse gehen wollen, mit Blick auf das Antirassismusgesetz also, für dessen Abschaffung die Pnos weibeln will. Offenbar als Reaktion darauf, dass in den letzten Monaten mehrere Exponenten aus ihren Reihen wegen rassistischer Aussagen verurteilt worden sind – nein, mit dieser Kundgebung rückt das nationale und internationale Geschehen noch aus einem andern Grund ins lokale Blickfeld.
Der Demo-Sonntag zeigt nämlich exemplarisch, wie rasch Demokratien westlichen Zuschnitts an ihre Grenzen stossen, sobald extremistische Kräfte im Spiel. Es ist, wie wenn wir – übrigens von ähnlichen Ohnmachtsgefühlen geplagt – mit einem Blick in die weite Welt über den Terrorismus oder über den radikalen Islamismus reden: Auf der einen Seite stehen gewaltbereite Kräfte, denen die Gesellschaft eigentlich mit ähnlich starken Mitteln begegnen müsste. Auf der anderen Seite steht der Wert der Freiheit, der einer solch machtvollen, den einzelnen automatisch einschränkenden Intervention völlig entgegensteht. Er ist für den Westen so grundlegend, dass er nicht einfach so leichtfertig geopfert wird.
Dies erhellt, warum eine – notabene legale – Gruppe wie die Pnos heute schlicht das Recht darauf hat, in aller Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Unabhängig davon, dass die von ihr verbreiteten rassistischen Ansichten höchst problematisch sind. Und unabhängig davon, dass ihr Auftreten nichts anderes als eine bewusste Provokation der links-autonomen Szene ist, die sich ihrerseits nicht davon abhalten lässt, voll darauf einzusteigen. Gewalt ist für diese Szene explizit ein Mittel, wenn es darum geht, missliebige Leute und Meinungen zu bekämpfen.
Zwei hoffnungsvolle Zeichen gibt es in Burgdorf mit Blick auf den Sonntag trotz allem. Die Grundlage für das erste hat der Gemeinderat gelegt, indem er der Pnos den Zug in die Oberstadt untersagt und die Demo auf eine Platzkundgebung beschränkt (Text rechts). Die Polizei kann so Rechte und Linke besser auseinanderhalten; dass sie dazu in der Lage ist, hat sie 2006 unter ähnlichen Vorzeichen in Langenthal bewiesen. Das zweite hoffnungsvolle Zeichen setzt wieder die grosse Politik. In der reichen Schweiz hatten bisher extremistische Strömungen nie lange Bestand und extremistische Forderungen kaum Chancen. Wie jüngst die Initiative für die Abschaffung des Antirassismusgesetzes: Sie scheiterte schon daran, dass nicht genug Leute unterschrieben